Baumgartner, Michael: Exilierte Göttinnen. Frauenstatuen im Bühnenwerk von Kurt Weill, Thea Musgrave und Othmar Schoeck – Hildesheim [u.a].: Olms, 2012. – 474 S.: s/w-Abb., Notenbsp. (Studien und Materialien zur Musikwissenschaft ; 66)
ISBN 978-3-487-14815-1 : € 69,00 (kart.)
Umfassend und informativ präsentiert sich Michael Baumgartners interdisziplinär angelegte, auf der Dissertation des derzeit an der Cleveland State University lehrenden Autors aufbauende Publikation, die unter einer von profunder Sachkenntnis zeugender Herangehensweise Bühnenwerke zweier Komponisten und einer Komponistin des 20. Jahrhunderts analysierend einander gegenüberstellt, die allesamt das Motiv der sogenannten „Statuenverlobung“ zur Grundlage haben: Othmar Schoecks Oper Venus op. 32 (1921), Thea Musgraves The Voice of Ariadne (1974) und Kurt Weills Broadway-Musical One Touch of Venus (1943). Die von Baumgartner als „Prolog“ präsentierte Einführung in die Thematik erweist sich hierbei als eine ebenso faszinierende wie nutzbringende Erläuterung der kulturgeschichtlichen Hintergründe, die es durchaus verdient, den drei sich als „Akte“ darstellenden, wenn auch nicht unmittelbar zusammenhängenden Hauptabschnitten als vollwertiges Kapitel vorangestellt zu werden. Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte vereinen sich unter in tiefere Schichten führenden Referenzen auf Sigmund Freuds gerade für die Kunst der Moderne (und Postmoderne) höchst einflussreiche Psychoanalyse mit der Musikwissenschaft zu einem facettenreichen Gesamtbild, wobei der Autor sich bei aller Seriosität nicht scheut, seine Abrisse der jeweiligen Werkgenesis mit anekdotisch pikantem Material zu würzen. So lässt Baumgartner etwa den vergrämten Kurt Weill zu Wort kommen, welcher nach der – vorgeblich aus Schicklichkeitsgründen – erfolgten Absage der für die Hauptrolle in One Touch of Venus vorgesehenen Marlene Dietrich seiner Frau Lotte Lenya empört und die eigene Herkunft gänzlich ignorierend berichtete: „Marlene is out. She is a stupid cow, conceited like all those Germans. I wouldn’t want her if she would ask to play it.“ (S. 276)
Michael Baumgartner ist mit „Exilierte Göttinnen“ ein faszinierender Beitrag für die Musikwissenschaft gelungen, der sich zwar primär an ein fachlich vorgebildetes Publikum wendet, an dem jedoch zweifellos auch interessierte Laien einen hohen Lesegenuss voller Erkenntnisgewinn finden werden. Tatsächlich verrät schon der Titel dieses Buches das ihm zugrunde liegende, auf kulturwissenschaftliche Interdisziplinarität ausgerichtete Programm, indem er klar auf Heinrich Heines literarisches Opus Die Götter im Exil einerseits und, in Folge, auf die in der Publikation Gott im Exil (1988) gesammelten Vorlesungen des Philosophen Manfred Frank referiert. Die an sich bereits durchaus schlüssige Argumentation gewährleistet in Verbindung mit zahlreichen Notenbeispielen eine hohe Verständlichkeit, ohne dabei in allzu bemüht trocken-distanzierten Tonfall abzugleiten. Ein umfangreicher Fußnotenapparat garantiert nicht nur die wissenschaftliche Seriosität, sondern ergänzt überdies den Lauftext um weiterführende Detailinformationen – und auch, wenn eine kleinere Panne seitens des Verlages in Form einer Duplizität im Bereich der Bibliographie aufgetreten ist, so tut dies der Qualität der Lektüre keinerlei Abbruch.
Michaela Krucsay
Leoben, 28.10.2012