Berlin: Ehrengrab von Leo Blech aufgelassen

Grabstein Leo Blech; Photo Peter Sommeregger 04/2013Man will es nicht glauben: Die markante, von einem mächtigen Granitblock dominierte Grabstätte des Komponisten und Dirigenten Leo Blech (1871-1958) existiert nicht mehr! Sie bildete gemeinsam mit dem identisch gestalteten Grabmal des Dramatikers Ferdinand Bruckner ein eindrucksvolles Ensemble mit Blick auf den Sausuhlensee am Friedhof Heerstraße in Berlin-Charlottenburg.
Der Name Leo Blechs ist wohl jedem musikhistorisch gebildeten Menschen, auch weit über die Stadt Berlin hinaus, ein Begriff. Der gebürtige Aachener erwarb sich ersten Ruhm in Prag, wo er am damaligen Deutschen Landestheater unter Angelo Neumann von 1899 bis 1906 wirkte und zahlreiche Uraufführungen, darunter Tiefland von d’Albert leitete. 1906 folgte er einem Ruf an die Berliner Hofoper, als deren Generalmusikdirektor er 1913 ernannt wurde. Zwischenzeitlich wechselte er an das Deutsche Opernhaus in Charlottenburg und die Wiener Volksoper, kehrte aber 1927 zurück an die Staatsoper, deren Generalmusikdirektor er bis 1937 blieb. Blech, der Jude war, wurde mit besonderer Genehmigung Görings so lange in seiner Position gehalten. Nach Jahren der Emigration in Schweden kehrte er schließlich 1949 nach Berlin zurück, wo er noch einmal bis 1953 als Generalmusikdirektor an der Städtischen Oper wirkte.
Neben seiner Tätigkeit als Dirigent war Blech zu seinen Lebzeiten auch als Komponist erfolgreich. Er schrieb u.a. sieben Opern, von denen Versiegelt häufig, so auch an der Metropolitan Opera New York, aufgeführt wurde.
Seine Ehefrau, Martha Frank (1871-1962), hatte ihrerseits eine erfolgreiche Karriere als Mezzosopranistin.
Blech wurde zu Lebzeiten hoch geehrt, erhielt u.a. das Große Bundesverdienstkreuz, an seinem früheren Berliner Wohnhaus befindet sich eine Gedenktafel.
Seine Grabstätte, in der auch seine Ehefrau bestattet ist, war über viele Jahre als Ehrengrab ausgewiesen und dadurch geschützt.
Diesen Status hat sie nun wohl verloren und wurde neu belegt. Es ist anscheinend dem Verhandlungsgeschick des Friedhofsverwalters zu danken, dass sich die Käuferin der Grabstelle, Witwe eines namhaften Germanisten, bereit erklärt hat, die Kosten der Wiederaufstellung des derzeit demontierten Grabsteins zu übernehmen. Ein schwacher Trost, ist doch das einstige Ensemble unwiederbringlich zerstört. Wie zu erfahren war, wird über die Aberkennung des Ehrengrab-Status auf eher niedriger Verwaltungsebene in den Bezirken entschieden. Offenbar fehlt den Entscheidungsträgern dort jegliches historische Wissen und kultureller Hintergrund.
An allen Eingängen des Friedhofs wird eindringlich vor Wildschweinen gewarnt, die beträchtlichen Flurschaden anrichten können. Wer warnt vor tumben Bürokraten, die noch viel größeren Schaden anrichten?

Peter Sommeregger
Berlin, 22.04.2013/25.04.2013

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Eine Antwort auf Berlin: Ehrengrab von Leo Blech aufgelassen

  1. admin sagt:

    Aufgrund dieses Artikels haben sich bereits viele an Dr. André Schmitz, Berlins Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten, gewandt, um ihrem Unverständnis und ihrer Empörung über diesen besonderen Beitrag zu Berlins Themenjahr “Zerstörte Vielfalt” (http://www.berlin.de/2013/start) Ausdruck zu verleihen.
    Wenn Sie den Protest unterstützen möchten, wenden Sie sich bitte an die
    Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten
    Brunnenstraße 188
    10119 Berlin
    oder an andre.schmitz@kultur.berlin.de
    In der FAZ vom heutigen 25.04.2013 griff Jan Brachmann unter der Überschrift “Unzurechnungsfähig” (S. 27) die Meldung auf.
    Alles nur “Zufall”, wie Peter von Becker in seinem Bericht über eine Begräbnisfeier an eben diesem Ort im Tagesspiegel vom 16.01.2013 (http://www.tagesspiegel.de/kultur/er-zeigte-auf-sein-herz/7636386.html) schreibt?
    jl

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