John, Elton: Love is the cure. Über das Leben, über Verlust und wie wir AIDS besiegen können. Aus dem Engl. von Henning Dedekind und Heike Schlatterer. – Hamburg: Hoffmann und Campe, 2012. – 223 S.: zahlr. Fotos
ISBN 978-3-455-50274-9 : € 19,99 (geb.)
Für viele Prominente gehört gesellschaftliches Engagement mittlerweile zum guten Ton. Wer seinen Namen für Stiftungen oder Schirmherrschaften zur Verfügung stellt, sichert dem Projekt und der eigenen Person Aufmerksamkeit. Es wäre vermessen, an dieser Stelle die Beweggründe solcher Aktivitäten zu hinterfragen. Sie mögen altruistischer Natur sein oder Marketingzwecken dienen – für die von dieser Unterstützung profitierenden Menschen zählt alleine die konkrete Hilfe. Näher kommen die Künstler, Sportler oder Politiker diesem Ziel mit einer überzeugenden Öffentlichkeitsarbeit. Dass sich entsprechende Aktionen nicht ausschließlich in Benefizveranstaltungen niederschlagen müssen, hat der Musiker Sir Elton John mit der Veröffentlichung des vorliegenden Buches eindrucksvoll bewiesen.
Eine klassische Autobiografie, wie sie bei Kollegen aus Johns Generation derzeit angesagt ist, liegt hier nicht vor. Der Leser ist geradezu erstaunt, wie wenig er über den Künstler Elton John erfährt, der seit den frühen 1970er Jahren zu den erfolgreichsten Musikern der Popgeschichte gehört. Über den Menschen hinter der schillernden Bühnenpersönlichkeit erfährt man jedoch umso mehr. Denn natürlich schreibt John – zumindest anfangs – über sich selbst. Wir lernen ihn als selbst- und sexsüchtigen Menschen kennen, getrieben von Gier und gehemmt durch unerträgliches Selbstmitleid. Dass dieser Beichte eine Katharsis folgen muss, ist vorhersehbar. Ausgelöst wird diese durch die Tragödie des Ryan White. Der an der Bluterkrankheit leidende amerikanische Teenager wurde in den 1980er Jahren während einer Bluttransfusion mit HIV infiziert. Einher mit dem körperlichen Leidensweg ging eine gesellschaftliche Ausgrenzung, die ihre Gründe in der teilweise hysterischen Furcht vor der „Schwulenkrankheit“ hatte. Zusammen mit anderen Künstlern engagierte sich Elton John für Ryan White und gegen die Stigmatisierung und schloss Freundschaft mit ihm und seiner Familie. Der Tod von White sowie der von befreundeten Musikern wie Freddie Mercury waren 1992 die Antriebsfeder für die Gründung der „Elton John AIDS Foundation“. Die Entwicklung dieser Stiftung und der medizinischen Fortschritte wird von Elton John ebenso ausgiebig und fachkundig beschrieben wie die politischen und gesellschaftlichen Hemmnisse. Zwar betont der Musiker wiederholt, dass er kein Fachmann sei, doch stapelt er angesichts der eloquenten Darlegung der Fakten eher tief. Dieser theoretische Unterbau und das leidenschaftliches Engagement gegen eine Krankheit, deren Wurzeln John nicht zuletzt als „Krise der Menschlichkeit“ (S. 87) identifiziert, machen Love is the cure zu einer bemerkenswerten Lektüre.
Michael Stapper
München, 21.05.2013