Cygan, Jacek: Der letzte Klezmer. Das Leben des Leopold Kozłowski-Kleinman / Hrsg. von Angela Henkel im Auftrag des Wilhelm Fraenger-Instituts Berlin. Übersetzt von Paulina Schulz. – Berlin: Metropol, 2012. – 287 S.: 43 s/w-Abb., 1 Ill., 2 Notenbsp.
ISBN 978-3-86331-092-9 : € 24,00 (geb.)
Der letzte Klezmer erzählt nicht nur die ganz persönliche Geschichte des Klezmorim Leopold Kleinman, sondern auch ein Stück polnisch-jüdischer Kulturgeschichte, bei der freilich Klezmer-Musik im Mittelpunkt steht. In 17 Kapiteln schreibt Jacek Cygan, ein langjähriger Weggefährte Leopolds, die Erinnerungen des Mannes nieder, der als einziger seiner Familie den Holocaust überlebte und heute als der letzte Klezmer Polens gilt. Jedem Kapitel stellt Cygan eine kurze Episode oder Anekdote aus einer gemeinsamen Begegnung voran; die auch optisch abgetrennten Teile werden dabei durch die Kapitelüberschrift verbunden, die jeweils eine Art Leitthema bildet. Im Mittelpunkt der Biografie stehen eindeutig die Kinder- und Jugendjahre Leopolds, das ausführliche Nachwort widmet sich den Jahren nach 1945. Sehr persönlich werden Ängste, Träume und Grausamkeiten geschildert, stets ehrlich und ohne Kitsch. Dabei böte das Thema durchaus Möglichkeiten einer rührseligen Verklärung: ein Junge, der nur mit und dank seiner musikalischen Fähigkeiten zwei Konzentrationslager, Partisanenkrieg und, nach der Befreiung von den deutschen Besatzern, den Frontkrieg überlebt. Doch nicht so bei Kleinman/Cygan; hier werden dem Leser Folter, Panikattacken und Nazi-Verbrechen nicht erspart. Beklemmung und Rührung sind die Folge, andererseits aber die Freude darüber, dass es Leopold trotz alledem auf inzwischen über 90 Lebensjahre gebracht hat. Auch heute noch ist Leopold musikalisch aktiv, gibt noch immer Konzerte. Als Teil einer hochmusikalischen Familie erlernten Leopold und sein Bruder Dolko schon früh Instrumente und wurden in die traditionelle jüdische Musikkultur eingeführt. Nach Kriegsende nahm Leopold ein Musikstudium auf, leitete klassische Orchester und folkloristische Gruppen und komponierte. Er arrangierte Filmmusiken und war in Schindlers Liste auch auf der Leinwand zu sehen; außerdem gibt er Klezmer-Workshops und setzt sich so für die Verbreitung der jüdischen Kultur ein.
Kulturelle Werte vermitteln will auch das Wilhelm-Fraenger-Institut, das, in Person von Angela Henkel, die deutsche Übersetzung herausgebracht hat. Fast wie in einer Einführung in die jüdische Kultur erfährt der Leser v. a. in den ersten Kapiteln der Friedensjahre einiges über jüdische Bräuche und das Zusammenleben von Juden, katholischen Polen und orthodoxen Ukrainern. Während die Religion in den Kriegswirren in den Hintergrund rückte, blieb Musik stets zentrales Thema im Buch und im Leben des Leopold Kleinman – „Musik als Passierschein ins Leben“ (S. 126), sei es als Trost oder als sprichwörtliches Schutzschild in Form eines Akkordeons vor Pistolenpatronen. Fazit: Ein außergewöhnliches Leben packend erzählt, nicht nur für Klezmer-Freunde interessant.
Claudia Thieße
Leipzig, 10.03.2013