Franklin, Peter: Seeing Through Music. Gender and Modernism in Classic Hollywood Film Scores. – New York: Oxford University Press, 2011. – 191 S.: s/w-Abb., Register
ISBN 978-0-19-538345-4 : $ 39,95 (geb.)
Die Studie Seeing Through Music. Gender and Modernism in Classic Hollywood Film Scores verrät schon durch ihren Untertitel das ambitionierte Projekt des Musikwissenschaftlers Peter Franklin, der an der University of Oxford lehrt. Ausgehend von zahlreichen ,großen‘ Filmen der Hollywood-Ära wie Bride of Frankenstein (1935), King Kong (1933), Rebecca (1940), Gone with the Wind (1939), Citizen Kane (1941) und Psycho (1960) verfolgt Franklin die Verflechtungen zwischen der sogenannten romantischen Musik, ihren ästhetischen Konzepten sowie den konträren Ansätzen der musikalischen Moderne.
Zentral ist dabei seine These, dass Filmmusik ihre Wirkungsmacht aus einer schon weit vor dem Aufkommen des Films anzusiedelnden Dimension der affektiven Steuerung gewinnt – „Film music is older than film“ – und insofern nicht primär als rein funktionales Element zu betrachten ist, sondern erst vor dem Hintergrund der autonomen Musikgeschichte in all ihren Mechanismen begriffen werden kann. Franklin konzentriert sich dabei besonders auf die Ausprägungen populärer Stile in der europäischen Operngeschichte, in denen zahlreiche der bis heute in der Filmmusik gebräuchlichen semantischen Codes, wie etwa die konstruierte Opposition von Männlich und Weiblich, überdeutlich vorgezeichnet erscheinen. Die überaus enge Verzahnung dieser musikalisch-affektiven Semanteme mit dem Weltbild Hollywoods sieht er als eine wesentliche Ursache für die lediglich selektive Integration von Elementen der musikalischen Moderne. Diese wird nur als charakteristische Nuance im Zusammenhang mit affektiven Störungen der filmischen Protagonisten oder bei Abweichungen von der gesellschaftlich festgeschriebenen Ordnung herangezogen, vermag aber das psychologische und anthropologische Grundkonzept, das die Hollywood-Filme normativ festzuschreiben suchen, nicht zu durchbrechen. Das konträre ,Menschenbild‘, das Franklin in der musikalischen Moderne lokalisiert, steht somit quer zu der Tradition der affektiven Ordnung, wie sie die dur-moll-tonale Musiksprache reproduziert, und kann nur im Zusammenhang mit Störungen dieser Ordnung filmmusikalisch integriert werden.
Franklin gelingt es mit diesem Buch auf eine methodisch bestechende wie sprachliche elegante Weise, zahlreiche der oft nur separat abgehandelten Fragestellungen der Musikwissenschaft (Filmmusik, Gender Studien, Modernismusdiskussion, Ästhetik) zusammenzuführen und damit das Denken über Konstruktion und Wirkung des spezifisch Musikalischen in der europäischen Musikgeschichte auf ein neues Niveau zu heben.
Markus Bandur
Berlin, 15.10.2012