800 Jahre Thomana. Glauben – Singen – Lernen. Festschrift zum Jubiläum von Thomaskirche, Thomanerchor und Thomasschule / Hrsg. von Stefan Altner und Martin Petzoldt in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig, Lehrstuhl für Historische Musikwissenschaft, Helmut Loos, und dem Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig, Eszter Fontana. – Wettin-Löbujün OT Dößel (Saalekreis): Verlag Janos Stekovics in Zusammenarbeit mit dem Geschäftsf. des Thomanerchores und dem Institut für Systematische Theologie der Theol. Fak. der Univ. Leipzig, 2012. – 492 S.: 304 Farb- und s/w Abb., Notenbsp., Tab., 1 Audio-CD (Jubiläum 2012 Leipzig).
ISBN 978-3-89923-238-7 : € 19,80 (geb.)
Seit der Gründung des Augustiner-Stiftes St. Thomas am 20. März 1212 ist die Thomana sowohl mit der Stadtgeschichte Leipzigs, vor allem aber mit ihrer Musik-, Kirchen- und Schulgeschichte eng verbunden. Zudem gehört sie seit 1519 unverrückbar zur Geschichte der Lutherischen Reformation. 35 Autoren beschreiben in dieser Festschrift das Werden und Wachsen der Thomana: der Thomasschule als einem Ort der Bildung, der Thomaskirche als einer Verkündigungsstätte des Wortes Gottes und des Thomanerchores als einer Gemeinschaft, die im Laufe der Jahrhunderte dem „Herren“ immer wieder „ein neues Lied“ gesungen hat. Ob es um die ersten >Schritte< der von Anbeginn hochqualifizierten Ausbildungsstätte geht, ob um die Beziehung der Thomana zur 1409 gegründeten Universität oder ihr Verhältnis zum Gewandhausorchester bzw. zur Stadt Leipzig u. ä., stets wird der Stand der Forschung umfassend reflektiert. Auch wird das Wirken der Rektoren, Lehrer und kirchlichen Amtsträger ausführlich dargestellt – im Unterschied zu vielen Veröffentlichungen über den Thomanerchor, wo ihr Tätigsein für die Thomana zugunsten der Thomaskantoren nur marginal behandelt ist. Zum Schluss stellt sich das neueste >Kind< der Thomana vor: der zukünftige Bildungscampus >forum thomanum<, ein teilweise bereits fertig gestelltes Projekt. Selbstverständlich sind in der Festschrift auch Desiderata in der Aufarbeitung benannt, wie z. B. die fehlende exakt-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Musiker, Herausgeber, Pädagogen und Musikphilosophen Karl Straube. Durch „fehlende Objektivität und mangelnde wissenschaftliche Akkuratesse“ (S. 281) werden hier Fehler bis in jüngste Zeit fortgeschrieben. Bislang in der Literatur widersprüchlich dargestellte Fakten (z .B. die Gründung des „Kirchenmusikalischen Instituts der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen am Konservatorium für Musik zu Leipzig“) werden richtig gestellt.
In allen Kapiteln gibt es auf der jeweils dazugehörigen Seite ausführliche Anmerkungen, einen umfangreichen Quellenapparat, Hinweise auf weiterführende Literatur und zu strittigen Fragen der Forschung. Zudem ist die glänzend gestaltete Festschrift großzügig und in hervorragender Qualität bebildert, z. B. mit Seiten aus dem einzigartigen Thomas-Graduale, das Einblicke in die kirchenmusikalische Praxis vom 13. bis zum 16. Jahrhundert ermöglicht. Leider gibt es von dieser „seltene(n) Quelle europäischer Musikkultur“ (S. 77) weder eine neue, wissenschaftlich kommentierte Ausgabe noch ein Faksimile. Der Anhang enthält u.a. eine Synoptische Übersicht von den Bediensteten in Thomaskirche und Thomasschule seit der Reformation, die Lebensdaten der Thomaskantoren, Rektoren, Konrektoren und Direktoren von um 1295 bis zum aktuellen Stand (wobei auf S. 36 Erhard Mauersberger zu früh eingeordnet ist) und alle kirchlichen Amtsträger mit Lebensdaten ab 1500. Der Festschrift ist eine CD beigelegt, eingespielt vom Thomasorganisten Ulrich Böhme, vom Thomanerchor und dem Gewandhausorchester bzw. dem Barockorchester Leipzig unter der Gesamtleitung von Thomaskantor Georg Christoph Biller. 800 Jahre Thomana werden durch die Festschrift beglückend lebendig!
Ingeborg Allihn
Berlin, 10.04.2012