Metzmacher, Ingo: Vorhang auf! Oper entdecken und erleben. – Berlin: Rowohlt, 2009. – 224 S.
ISBN 978-3-87134-576-0 : € 16,90 (geb.)
„Der Ton macht die Musik“ – dieser Satz ist wohl jedem bekannt, doch haben Sie sich den Satz einmal auf der Zunge zergehen lassen? Jeder Ton sitzt, passt zur Handlung, zur Sprache, zum Text, die Instrumentierung korrespondiert perfekt: Die Musik trifft den Hörer ins Herz. Ingo Metzmacher (*1957), international renommierter Operndirigent, hat genug Erfahrung, um aus jeder Oper das Entscheidende herauszukitzeln und verfolgt mit jeder Aufführung nur das eine Ziel: den Hörer ins Herz zu treffen. Seine Begeisterung für die Gattung Oper ist unschwer aus seinem neuen Buch herauszuhören. Hier gelingt ihm sprachlich, was man eigentlich nur der Musik zugetraut hätte: Begeistert, emotional und treffend – genau auf den Punkt – beschreibt er seine Lieblingsopern faszinierend, gelegentlich sogar ekstatisch, sodass der Leser meint, die Musik beim Lesen zu hören.
Die Opern, die er beschreibt, stammen aus verschiedenen Jahrhunderten von Monteverdi über Mozart, weiter zu Verdi, Weber, Wagner, Bartók, Poulenc und Strauss bis hin zu Weill, Schostakowitsch, Janáček, Henze, Schreker, Zimmermann. Erzählt wird nicht nur die Handlung, sondern ebenso deren Umsetzung in Musik; herausgehoben werden Stellen, die besonderes musikalisches Augenmerk verdienen, Stellen, über die er als Dirigent lange nachgedacht hat, bevor er wusste, wie sie zu dirigieren sind, Stellen, die in die Operngeschichte eingegangen sind, wie beispielsweise die Bettszene in Schostakowitschs Lady Macbeth. Hier steht der Dirigent vor der Frage, wie wohl ein Orgasmus zu dirigieren sei… Metzmacher gibt sich ganz hinein in das Geschehen und findet in jedem Ton einen Beitrag zum vollkommenen Ganzen.
Zwischen den Opernbeschreibungen gibt es immer wieder ein Zwischenkapitel, überschrieben mit „Verwandlung“. Hier erzählt der Dirigent anhand der Hamburger Aufführung von Alban Bergs Wozzeck von seiner Arbeit hinter den Kulissen, angefangen von dem gemütlichen Treffen im Landhaus mit dem Regisseur, bei dem erste Ideen einer neuen Inszenierung geboren werden, über die Probenphase bis hin zum Tag der Aufführung, der am Schluss sowohl Ernüchterung als auch Vorfreude mit sich bringt: „Morgen früh wird wieder geprobt. Für ein anderes Stück, mit anderen Sängern. Und alles beginnt von vorn.“ (S. 217)
Metzmacher, der von 2007 bis 2010 Chefdirigent und künstlerischer Leiter des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin war, hat sein Herz der Oper verschrieben und gibt jedes Zipfelchen, so hat man den Eindruck, direkt an den Leser weiter. Wer das nächste Mal frustriert an der Opernkasse die Auskunft „Ausverkauft“ erhält, kann sich getrost mit Metzmachers Buch einen unterhaltsamen Abend gestalten. Die aus ihm heraussprudelnde Faszination für Opern ersetzt sogar den Pausen-Sekt!
Ein Buch, empfehlenswert für jedermann – wer die Opernhäuser bislang gescheut hat, wird mit Metzmachers Buch zum Fan. Garantiert!
(Ein Musikbuch, zweifelsohne, warum der Verlag das Buch allerdings unter der Rubrik Naturwissenschaft und Technik im Online-Katalog platziert, blieb mir verschlossen.)
Barbara Wolf
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 280f.