Ethel Smyth: Paukenschläge aus dem Paradies. Erinnerungen / Hrsg. und übers. von Heddi Feilhauer. – Berlin: Ebersbach & Simon, 2023. – 238 S.
ISBN 978-386915-286-8 : € 24,00 (geb., auch als eBook)
Ethel Smyth (1858-1944) ist nicht nur als Komponistin in Erscheinung getreten, sondern auch als glühende Vertreterin der britischen Suffragettenbewegung. Darüber hinaus betätigte sie sich schriftstellerisch. Geboren 1858 in Sidcup, wuchs sie gemeinsam mit fünf Schwestern und einem Bruder in einer englischen Familie der oberen Mittelschicht in der Grafschaft Kent auf.
Heddi Feilhauer, die Herausgeberin und Übersetzerin des Buches, hat eine Auswahl an Texten von Ethel Smyth zusammengestellt, in denen diese ihr außergewöhnliches Leben mit viel Witz und Selbstironie schildert.
So beschreibt Smyth sehr bildlich ihre stürmische Jugend, die Freiheiten mit denen sie aufgewachsen ist und die Ermutigungen der Eltern zu Risiken. Seit ihrer Jugend betätigte sich die Komponistin außergewöhnlich sportlich, was für eine Frau der damaligen Zeit ungewöhnlich war. Zu ihren Lieblingssportarten gehörten Tennis, Golf, und sie fuhr Fahrrad.
Erste musikalische Anregungen erhielt Ethel von ihrer Mutter und einer Erzieherin, die sogar ein abgeschlossenes Klavierstudium am Leipziger Konservatorium absolviert hatte. Diese brachte Ethel Smyth die Musik Beethovens, Schuberts und Schumanns nahe und rief bei ihr den Wunsch hervor, ebenfalls in Leipzig Musik studieren zu wollen. Dieser Traum gefiel speziell ihrem Vater nicht und Ethel musste sieben Jahre kämpfen, ehe ihr Begehren Wirklichkeit wurde. 1877 kann sie schließlich ihr Studium in Leipzig beginnen. Hier genießt sie ihre neue Freiheit und setzt sich über Konventionen hinweg – wobei ihre ausländische Herkunft es ihr etwas leichter machte.
Von ihren Professoren des Leipziger Konservatoriums ist sie allerdings enttäuscht und empfindet diese in der Zeit nicht sehr bereichernd. Daher nimmt sie Privatunterricht bei Heinrich von Herzogenberg. Dessen Frau Elisabeth wird eine sehr gute Freundin und Vertraute in ihrem dortigen Leben.
Schließlich wird Ethel Smyth Teil des Leipziger Musiklebens und hat zahlreiche Kontakte zur Leipziger Musikszene wie beispielsweise zum Konzertmeister des Gewandhauses Engelbert Röntgen, zu der Familie Klengel, zum Verleger Brockhaus, zu dem Sänger Georg Henschel, zu Edward Grieg, Peter Tschaikowski, Johannes Brahms u.a. Anschaulich schildert sie die Leipziger gesellschaftlichen Strukturen und das Musikleben in Leipzig. Dabei stellt sie fest, dass sich unter allen ausgezeichneten Professoren nicht eine bemerkenswerte Frau befindet. Sie selbst spürt auch regelmäßig die Vorurteile gegenüber komponierenden Frauen, speziell von Johannes Brahms, für den „Frauen eine schöne Unterhaltung seien“ (S. 59), als Komponistinnen erkennt er sie aber in der Regel nicht an.
Peter Tschaikowski dagegen regt die kompositorische Entwicklung Ethel Smyths an. So rät er ihr, sich bei der Instrumentierung des Orchesters weiter zu bilden, was sie bei ihrer Serenade in D beherzigte, die 1890 im Crystal Palace unter August Manns aufgeführt wurde.
Die Familie von Ethel Smyth war etabliert auch in den höchsten Kreisen Englands. Davon konnte auch die Komponistin profitieren. Die Aufführung ihrer Messe wurde sogar von der Kaiserin Eugenie (1826-1920, Witwe von Napoleon III.) gefördert.
Allerdings war es in der damaligen Zeit schwierig, in England Opern aufzuführen, da es dort nur ein professionelles Opernhaus gab. Mit viel Energie und Tatendrang versuchte Ethel Smyth daher ihre Werke in Deutschland publik zu machen. So erreichte sie, dass ihr Bühnenwerk Fantasio 1889 am Hoftheater Weimar zur Uraufführung gelangte und 1902 die Oper Der Wald an der Hofoper Berlin. Die Aufführung ihrer Oper Der Wald 1903 an der Metropolitan Opera in New York war schließlich die erste Aufführung eines Bühnenwerkes, das von einer Frau komponiert wurde und blieb es auch für 100 Jahre.
Doch Ethel Smyth engagierte sich nicht nur glühend für die Aufführung ihrer Werke. Genauso zielstrebig verfolgte sie den Kampf für das Frauenwahlrecht in England. Als sie 1910 Emmeline Pankhurst (1858-1928) kennenlernt, lässt sie ihre künstlerische Arbeit für zwei Jahre ruhen, um sich den Suffragetten anzuschließen. Auf Wunsch des Vorstandes komponiert sie das Kampflied March oft he Woman. Für den Kampf um das Frauenwahlrecht geht sie sogar für zwei Monate ins Gefängnis. Anschaulich schildert sie die Zustände dort und wie die Frauen sich dagegen zu wehren wussten.
Beim Lesen der Erinnerungen wird auch klar, dass Ethel Smyth bei der Frage der Frauenemanzipation zwar eine sehr fortschrittliche Einstellung besitzt, auf der anderen Seite jedoch sehr einseitige Sicht der Engländer bezüglich der Burenkriege vertritt.
Die Herausgeberin Heddi Feilhauer zeigt mit den ausgewählten Texten ein vielfältiges Bild der Komponistin auf. Das Buch Paukenschläge aus dem Paradies liest sich kurzweilig und weckt Interesse, mehr über das Leben Ethel Smyths in ihrer Zeit inclusive der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse kennen zu lernen und zu diskutieren.
Jutta Heise
Hannover, 09.11.2024