Der Patriarch – Richard Strauss und die Seinen / Hrsg. von Gabriele Strauss und Barbara Wunderlich – Halle: Arthaus Musik, 2014.- 130S.: Abb.; DVD: Richard Strauss- Skizze eines Lebens
ISBN 978-3-86923-200-3 : € 49,95
Das Strauss-Jubiläumsjahr 2014 hat am Ende auch die Nachfahren des Komponisten bewogen, einige Kostbarkeiten aus dem Garmischer Strauss-Archiv erstmals zu veröffentlichen. Das Resultat ist ein editorischer Zwitter, Bildband mit ausführlichen Texten einerseits, ein fast einstündiger Film andererseits. An der Kompetenz aller Beteiligter besteht kein Zweifel, eine der Herausgeberinnen ist die Schwieger-Enkelin von Richard Strauss, Gabriele Strauss-Hotter, die noch auf intensive persönliche Erinnerungen an den Komponisten und seine als schwierig geltende Ehefrau Pauline zurückgreifen kann. Der Musikwissenschaftler Laurenz Lütteken und der Musikpublizist Thomas Voigt sind ebenso wie die Produzentin Barbara Wunderlich ausgewiesene Fachleute, entsprechend erwartungsvoll beginnt man die Lektüre. Der erste Eindruck von der Fülle des Bildmaterials beeindruckt umso mehr, als man kaum eines der Fotos jemals zuvor in der umfangreichen Strauss-Literatur gesehen hat. Private Fotos sind ebenso enthalten wie Szenenfotos der Opern-Uraufführungen. Leider haben sich bei den Bildunterschriften einige Fehler eingeschlichen, die vermeidbar gewesen wären. Zudem sind sie grau auf weiß gedruckt, und deshalb schwer lesbar. Die begleitenden Texte sind in zahlreiche Kapitel unterteilt, wie „Strauss und seine Götter“, „Der Patriarch und sein Familienunternehmen“, „Strauss und seine Dichter“, “Strauss und sein Erbe“. Es sind jeweils qualitativ hervorragende Beiträge, die leider auf Grund der gebotenen Kürze ihr jeweiliges Thema nicht unbedingt ausschöpfen können. Insgesamt entsteht der Eindruck eines liebevoll gestalteten Erinnerungsbuches, das leider zu viele einzelne Handschriften erkennen lässt und so kein einheitlich Ganzes bilden kann.
Auch der als DVD dem Buch beiliegende Film Richard Strauss- Skizzen eines Lebens ist ein wenig Stückwerk geblieben. Mit großem Vergnügen begegnet man zu Beginn den beiden Opernlegenden Brigitte Fassbaender und Inge Borkh, letztere mit über 9o Jahren sozusagen die Doyenne des Strauss-Gesangs. Hier wird hoch kompetent über die Strauss’schen Opernfiguren geplaudert. Später wechselt der Film zu ernsthafteren Betrachtungen über den Menschen Richard Strauss, historische Film-Sequenzen werden eingespielt, vor allem wird auch die legendäre Garmischer Villa, 1907 von den Tantiemen der Oper Salome erbaut, ausführlich vorgestellt. Klug ausgewählte, historische Einspielungen von Strauss’schen Kompositionen untermalen die entsprechenden Film-Sequenzen. Enkel Christian und Schwieger-Enkelin Gabriele tragen mit vielen Anekdoten zu einer atmosphärisch dichten Dokumentation bei.
Selbst der belesene Strauss-Kenner und Liebhaber wird in Buch und Film Neues und Interessantes entdecken. Trotzdem bleibt eine leise Enttäuschung darüber, was im Rahmen einer solchen Publikation möglich gewesen wäre, aber letztlich nur gestreift wurde. Aber die umfangreichen, noch längst nicht komplett erschlossenen Schätze des Strauss’schen Familienarchivs sind noch für viele Entdeckungen und Überraschungen gut. Man darf gespannt sein.
Peter Sommeregger
Berlin, 21.03.2015