Rudolf Buchbinder: Mein Beethoven – Leben mit dem Meister [Christoph Zimmermann]

Buchbinder, Rudolf: Mein Beethoven – Leben mit dem Meister – St. Pölten [u.a.]: Residenz, 2014, 221 S.: s/w-Abb.
ISBN 978-3-7017-3347-7 : € 24,90 (geb.)

Über nahezu alle bedeutenden Komponisten gibt es eine Fülle von Publikationen, die einen mehr biografisch, die anderen mehr musikanalytisch akzentuiert. Ist all diesen Äußerungen noch Essenzielles hinzuzufügen, so auch die Frage bei Ludwig van Beethoven? Wahrscheinlich wenig bezüglich von Lebensumständen, wohl aber hinsichtlich interpretatorischer Fragen. Die sogenannte historische Aufführungspraxis beispielsweise ist, obwohl längst etabliert, noch immer nicht ausdiskutiert. Sie hat, denkt man an einen Dirigenten wie René Jacobs, auch schon Beethoven vereinnahmt. Doch selbst außerhalb dieser Strömung bietet sich ein weites Feld für unterschiedlichste Interpretationsansätze. In Rudolf Buchbinders Buch Mein Beethoven – Leben mit dem Meister wird bereits im Titel ein individueller Blickwinkel festgelegt, das Wort „Meister“ signalisiert dabei einen fast schon altmodisch zu nennenden Respekt. Bereits als Klavierstudent von sieben Jahren in der Vorbereitungsklasse der Wiener Musikakademie wählte der 1946 in der Tschechoslowakei geborene Pianist ein Stück von Beethoven, später auch bei seiner Vorstellung als offizieller Schüler. Dazwischen lag, gleichfalls mit Schwerpunkt Beethoven, noch ein Orchesterkonzert.
Nach wie vor nähert sich Rudolf Buchbinder seinem Favoritkomponisten mit ungebrochener Neugier auf vertiefende Erkenntnisse. Seine persönliche Notenbibliothek verfügt über 32 Ausgaben der Klaviersonaten, die ihm naturgemäß besonders am Herzen liegen (und in seinem Buch den Schwerpunkt bilden). Auch Faksimiles von Urschriften zieht der Pianist zum Studium immer wieder heran. Von den historischen Ausgaben bevorzugt er – Auskunft in einem Interview der Zeitschrift FonoForum (7/2011) – die ungeschönte von Franz Liszt, während die seines Kollegen Artur Schnabel mit ihrem Wirrwarr an metronomischen Angaben für ihn einen „Albtraum“ darstellt. Schnabel hat sich an sie selber freilich kaum gehalten.
Rudolf Buchbinder bietet in seinem Buch keine „wissenschaftlichen Analysen“ (S. 13), sondern möchte mit seinen in einem langen Künstlerleben gewonnenen Erkenntnissen die „Freude am Hören von Beethovens Musik vertiefen“ (S. 14). Auch liegt ihm daran, bei dieser Gelegenheit das sich in mancher Hinsicht vereinseitigte Beethoven-Bild – hier der Griesgram, dort der Heroe – zu korrigieren. Beethoven war beispielsweise, allen Kauzigkeiten zum Trotz, ein durchaus humorvoller Mensch (wenn auch auf provokante Weise), sein Leben kannte weiterhin die Wehmut der Liebe und beinhaltete mannigfache Heimsuchungen durch körperliche Gebrechen (darunter die tragische Ertaubung). Den „Menschen“ Beethoven rückt Buchbinder dem Leser wirklich plastisch vor Augen, die in die Vita stimmig eingebauten Reflexionen über die Klaviersonaten kommen ohne akademische Weitschweifigkeiten und Verklausulierungen aus. Das typografisch angenehm gestaltete Buch wird durch reiches historisches Bildmaterial ergänzt. Zu monieren ist allerdings das Fehlen eines Namensregisters.

Christoph Zimmermann
Köln, 26.12.2014

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