Thurnher, Armin: Der Übergänger. - Wien: Zsolnay, 2009. – 254 S.
ISBN 978-3-552-05367-0 : € 19,90 (geb.)
Was ist ein Übergänger? Die Rez. weiß es nicht. Der Autor etabliert einen Ich-Erzähler, der sich Großes vorgenommen hat. Ein neues Buch soll es sein, und von dem Pianisten Alfred Brendel soll es handeln. Ein persönliches Interview ist dafür unabdingbar. Das ist das Problem, und davon handelt das Buch. Über sehr viele Seiten schickt uns der mitteilsame Autor. Dabei nutzt er seinen literarischen Wurf, um ausführlicher über den Frust, die banalen Alltäglichkeiten, die kommunikativen Notwendigkeiten und vor allem die Fehlschläge eines durchschnittlichen Literatenlebens zu berichten. Als roter Faden zieht sich der vergebliche Versuch, sich seinem musikalischen Idol zu nähern. Pianistisch kann dies nicht mehr gelingen, aber doch wenigstens räumlich hat die Sache Potential. Die schwärmerische Verbundenheit des Erzählers mit diesem Großen der Musik führt zu feinsinnigen und kenntnisreichen Äußerungen zur Musik an sich und im Speziellen zur Klaviermusik. Der Antipode Glenn Gould kommt gleichsam mit ins Boot, und man darf sich freuen, dass romanhaft relevant und beurteilungsstark die Musik ernsthafte Darstellung findet. Das Drumherum durch Publikum und Organisationsgrößen wird freundlich beschmunzelt. Und doch bleibt ein fahler Nachgeschmack. Ein durchschnittliches Literatenleben, das sich über fast 250 Seiten von dieser Durchschnittlichkeit nicht entfernt. Warum auch. Episödchen folgt auf Episödchen. Brendel als Fata morgana wird oft erwähnt und gegen Ende des Buches getroffen – nach langen sieben Jahren. Erst als das letzte Auftreten des Meisters bevorsteht, nach diversen Telefonaten und verpatzten Begegnungen, gelingt die Tat. Nun folgen die herbei gesehnten Begegnungen, das Interview kann stattfinden. Als Grundschema etabliert sich: „Zwei missverstehen einander und führen auf Basis ihres jeweiligen Missverständnisses ein Gespräch. Ich rede von mir, er glaubt, ich rede von ihm. Tue ich auch, aber nur insofern, als er ein Ideal darstellt, das ich nicht erreiche.“ (S. 197) Bis der relevante Teil dieser Veröffentlichung erreicht wird, bezieht sich die Darstellung auf die Stadt Wien, die Reisen zum Meister oder in dessen Nähe und die zweifelnde Mutter, die an die Veröffentlichung nicht mehr glaubt. Eine locker zusammenhängende Handlung mit uninteressanten Begegnungen. Was will dieses Buch, außer vom Frust berichten und Frust auslösen? Schade, ein echter literarischer Wurf ist nicht gelungen. Im krassen Gegensatz dazu stehen die tiefsinnigen, hörrelevanten und bildhaften Beschreibungen insbesondere zum Abschiedskonzert Brendels. Da heißt es u.a.: „ … er traf das As, brachte es zum Klingen, schickte es in den Saal, wo ich inmitten meines phantasierten Kollektivs saß und es in mich aufnahm, und auch wieder nicht; wie alle anderen im Saal musste ich dieses As vorbeischweben lassen, hinauf ins Offene, in die endgültige Vorläufigkeit seines Verklingens.“ (S. 227)
Bettina von Seyfried
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 370