Gilliam, Brian: Richard Strauss – Magier der Töne. Eine Biographie / Aus d. Engl. übers. von Ulla Höber. – München: C.H. Beck, 2014 – 235 S.: Abb.
ISBN 978-3-406-66246-1 : € 19,95 (geb.)
Eine Biographie des großen Komponisten und Dirigenten auf nur etwas über 200 Seiten? Eine Würdigung dieses komplexen und facettenreichen Œuvres nebst Rezeptionsgeschichte in ganzen sechs Kapiteln? Ja, dem international renommierten Richard-Strauss-Forscher Frances Hill Fox, der unter dem Namen Bryan Gilliam publiziert, gelingt dieses Kunststück der weisen Beschränkung sogar ganz ausgezeichnet. Der Autor ist mit der Vita von Richard Strauss bestens vertraut, hat sich ganz eindeutig durch die zahlreichen früher publizierten Strauss-Biographien gearbeitet, an denen kein Mangel herrscht. Die Literaturliste im Anhang ist umfangreich, und in jeder Zeile ist die souveräne Beherrschung des Themas durch den Autor zu spüren. Dass ihm zwei kleinere Fehler unterlaufen (er nennt eine falsche Sängerin als Uraufführungs-Daphne und unterschlägt an anderer Stelle Alma Mahler den zweiten Ehemann) ist eher marginal und schmälert die Qualität des Buches nicht. Ausführlich behandelt wird Strauss‘ Verwicklung in die Politik in der Zeit des Nationalsozialismus, wobei Gilliam viele der sich hartnäckig haltenden Vorwürfe, Strauss wäre Nutznießer des Regimes gewesen, relativiert und weitgehend entkräftet. Ganz nebenbei gelingt dem Autor auch eine prägnante Schilderung der sich in Strauss‘ Lebenszeit grundlegend verändernden Lebensverhältnisse und politischen Umwälzungen vom Kaiserreich, über Weimarer Republik und Drittes Reich hin zu den schwierigen ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg.
In Gilliams Schilderung wird die Persönlichkeit von Richard Strauss, die durchaus komplexer und widersprüchlicher Natur war, sehr plastisch und begreifbar. Auch Strauss‘ Gattin Pauline, vielfach in der Literatur nur als schwierig und eher unangenehm abgetan, widerfährt hier Gerechtigkeit, weil sich der Autor um ein differenziertes Bild bemüht. Einige historische Verfälschungen rückt Gilliam zurecht, so beispielsweise das durch die Berufswitwe Alma Mahler falsch dargestellte Verhältnis zwischen Mahler und Richard Strauss. Sehr differenziert geht er auch auf die Strauss bis heute nachgesagte Geschäftstüchtigkeit ein und führt Fakten zu deren besseren Verständnis an. Nicht zu kurz kommen die Librettisten der Opern, allen voran natürlich der bedeutende Hugo von Hofmannsthal, aber auch Stefan Zweig und der weniger geniale Joseph Gregor. Sie erfahren hier durchaus gerechte Würdigungen. Dass Gilliam ein Bewunderer des Porträtierten und seiner Musik ist, steht außer Frage, der Autor widersteht aber der Versuchung, Strauss zu idealisieren; bei der Würdigung der einzelnen Werke geht er durchaus differenziert vor und scheut sich nicht, schwächere Werke auch als solche zu benennen. Trotz all dieser Fülle von Details bleibt Gilliam in den Ausführungen kurz und prägnant, erspart dem Leser die Last unzähliger Fußnoten und verzichtbarer Anmerkungen und erreicht so die Konzentration auf das Wesentliche.
Flüssig und pointiert geschrieben, von Ulla Höber adäquat übersetzt, stellt das Buch eine deutliche Bereicherung der Richard-Strauss-Literatur dar und legt die Messlatte für weitere Jubiläums-Publikationen sehr hoch.
Peter Sommeregger
Berlin, 23.04.2014