Goltz, Maren: Musikstudium in der Diktatur. Das Landeskonservatorium der Musik / die Staatliche Hochschule für Musik Leipzig in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945. – Stuttgart: Steiner, 2013. – 462 S.: Abb. (Pallas Athene ; 46)
ISBN 978-3-515-10337-4 : € 74,00 (geb.)
Auch achtzig Jahre nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ und fast siebzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, mit dem das „Dritte Reich“ unterging, ist die Auseinandersetzung mit diesem verhängnisvollen, verbrecherischen Abschnitt deutscher Geschichte nicht beendet. Im Gegenteil, die NS-Vergangenheit vieler Einrichtungen wird erst in jüngster Zeit mit der nötigen Intensität und Vorbehaltlosigkeit erforscht. Die Geschichte der Konservatorien ist – in diesem Zusammenhang und überhaupt – eine Materie, auf die sich bisher eher wenige Wissenschaftler eingelassen haben. Zum Teil ist überdies, wie im Fall des Leipziger Konservatoriums in der NS-Zeit, die Quellenlage schlecht.
Maren Goltz, heute Kustodin der Sammlung Musikgeschichte/Max-Reger-Archiv der Meininger Museen, hat sich davon nicht abschrecken lassen. Ihre Leipziger Dissertation greift sehr vielfältige Aspekte auf. Beispielhaft erwähnt seien die Entlassung des Komponisten Günther Raphael, den Karl Straube, Leiter des kirchenmusikalischen Instituts, gefördert hatte, und die Ausgrenzung des Konservatoriumsgründers Felix Mendelssohn Bartholdy aus dem Hochschulleben. Zunächst war das Landeskonservatorium der Musik noch eine private Einrichtung, was jedoch nicht verhinderte, dass die nationalsozialistische Diktatur auch auf sie massiv einwirkte. 1941, also bereits mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde das Konservatorium, wie seit langem angestrebt, verstaatlicht. Im Jahr darauf, 1942, löste der österreichische Komponist Johann Nepomuk David den Geiger Walther Davisson als Direktor ab. Interessant sind Goltz’ Erkundungen der Position des heute als Widerstandskämpfer bekannten Oberbürgermeisters von Leipzig, Carl Goerdeler, der Vorsitzender des Kuratoriums war. Ausführlich geht die Autorin auch auf die Geschichte der Studierenden – die Entwicklung der Studierendenzahlen, den Umgang mit „nichtarischen“ Studierenden und den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund – ein. Besonderes Augenmerk richtet Goltz auf die Hochschulbibliothek.
Die Autorin lässt keinen Zweifel daran, dass das Leipziger Konservatorium in der NS-Zeit kein zurückgezogener Ort musikalischer Ausbildung war. Abgesehen von dieser deutlichen, gut belegten Aussage verzichtet sie aber, nach Einschätzung des Rezensenten ganz zu Recht, auf plakative Thesen; vielmehr behandelt sie in ihrer umfassenden, sorgfältig recherchierten Studie die unterschiedlichen Facetten des Themas akribisch und differenziert.
Dietmar Schenk
Berlin, 16.05.2013