Kletschke, Irene: Klangbilder. Walt Disneys Fantasia (1940). – Stuttgart: Franz Steiner, 2011. – 205 S.: Bibliographie, Register. (Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft ; 67 )
ISBN 978-3-515-09828-1 : € 47,00 (geb.)
Liebhabern von Zeichentrickfilmen ergeht es wohl häufig wie den eingefleischten Fans von Horrorfilmen: die Objekte ihres Interesses werden meistens nicht ganz ernst genommen. Auch wenn sich das spätestens mit Meisterwerken wie Chihiros Reise ins Zauberland des japanischen Anime-Regisseurs und Manga-Zeichners Hayao Miyazaki endgültig geändert haben dürfte – der Film gilt als einer der erfolgreichsten Filme Japans überhaupt –, haftet doch insbesondere den Produkten der Disney-Studios noch immer das Odium des glatten, technisch zwar perfekten, aber gleichwohl belanglosen und seichten Unterhaltungsprodukts an.
Dass dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Elementen des popkulturellen Lebens spannend und lehrreich sein kann, zeigt die aus einer Dissertation an der Berliner Freien Universität hervorgegangene Studie von Irene Kletschke. Ihre Arbeit Klangbilder. Walt Disneys Fantasia (1940) wendet sich einem der wirkungsmächtigsten Konzepte zu, Zeichentrick- und Musikfilm miteinander zu verschmelzen. In der ersten Hälfte ihrer Darstellung widmet sich die Verfasserin der Entstehungsgeschichte dieses Films und den Hintergründen seiner Herstellung, bettet dabei den Film in die Geschichte des Zeichentrickfilms ein, und versucht aber auch, Disneys Rolle als „moralisches Aushängeschild Hollywoods“ mit der besonders aus europäischer Sicht gebotenen Kritik kenntlich werden zu lassen. Bei aller akribischen Quellen- und Archivarbeit entsteht so gleichzeitig ein einführendes Panorama der Anfangsjahre dieses Genres und seiner bestimmenden Einflüsse bis in das Entstehungsjahr der Fantasia.
In der zweiten Hälfte der Arbeit geht die Autorin in detaillierten Untersuchungen dem choreographierten Zusammenwirken von Bild und Musik in den Einzelnummern und ihrer Einbindung in die übergeordnete Großform nach. Spätestens bei der Lektüre dieser Passagen, die zugleich die (durchaus ideologiekritisch zu sehende) Transformation der Rezeption ursprünglich autonom konzipierter Musik durch ihre Verzahnung mit der Semantik der Bilder thematisieren, drängt es wohl jeden Leser, die gewonnenen Erkenntnisse am Film selbst zu überprüfen, um schließlich wohl nie mehr den Fehler zu begehen, dieses Genre aus musikwissenschaftlicher Sicht zu unterschätzen.
Markus Bandur
Berlin, 15.10.2012