Arche Musik Kalender 2013. Premieren / Div. Redakteurinnen, Gestaltung: Max Bartholl. – Zürich: Arche Kalender-Verlag, 2012. – 53 Bl.: 53 Abb.
ISBN 3978-3-0347-8013-1 : € 22,00
Von Dienstag, den 1.1. bis Dienstag, den 31.12. verteilt sich das kommende Jahr auf 53 Wochen. 53 Mal wird auf einem Blatt im bekannten Arche-Wandkalenderformat mit einem Zitat eines passiven oder aktiven, eines leidend oder beglückt beteiligten Musikers oder Kritikers, mit einer informativen Bildlegende und einem korrespondierenden Bild eine Musik-Premiere be- oder umschrieben, die das Allgemeine aller und das Besondere einzelner solcher Erstaufführungen charakterisieren. Premiere will hier im weitest denkbaren Sinn verstanden sein. Sie kann als Uraufführung oder örtliche Erstaufführung eines bereits anderswo gegebenen Werkes, als Debut eines Künstlers, als Premiere einer bestimmten Inszenierung o. ä. gemeint sein. Sie verwickelte Musiker gewollt (wie Vladimir Horowitz bei seinem Debut in der Carnegie Hall mit Tschaikowskis h-Moll Klavierkonzert 1928) oder ungewollt (wie Igor Strawinsky bei der Pariser Uraufführung seines Balletts Sacre du Printemps 1913) in Skandale, selten herrschte Übereinstimmung zwischen dem Selbstgefühl der Künstler und dem Publikum. Manche Premiere wurde zur Derniere wie die Uraufführung von Rachmaninows 1. Sinfonie 1897 in St. Petersburg.
Vielerlei Freuden und Leiden bringen solche aufregenden Veranstaltungen mit sich: Weinende männliche Musiker wie Mstislaw Rostropowitsch bei der Uraufführung von Benjamin Brittens Sinfonie für Violoncello und Orchester 1964 in Moskau und das elende Lampenfieber, das der echte Künstler auch beim besten Willen sein Leben lang nicht los wird, wie es von Pablo Casals seit seinem Debut in Barcelona 1890 erfahren wurde. Und dergleichen mehr. Hier mehr Beispiele zu erzählen, würde dem musikliebenden Kalenderbenutzer die Überraschung rauben, die ihn auf jeder Seite erwartet. Nicht immer passt das Bild genau zu der Aufführung oder auch nur zu der Lebensperiode des Komponisten oder Künstlers, in der die besagte Aufführung stattfand, aber immer sind die Darstellungen, wenn kein Bildmaterial der Aufführung zur Verfügung stand, charakteristisch und aufschlussreich. Die ungetrübte Lesbarkeit aller Texte ist durch die Gestaltungskünste Max Bartholls fast stets gewahrt.
Zeitlich gehen die Beispiele nicht gerade bis zum Beginn solcher Premieren-Aufzeichnungen zurück (man hätte mit einiger Mühe auch Mitteilungen aus noch früheren Jahrhunderten als denen des Frühbarock und der Entstehung der Oper gefunden), aber es ist schon erfreulich, dass hier für das kommende Jahr bis Monteverdi zurückgegangen wird. Bild- und Textquellen sind fleißig in offiziellen und privaten Dokumenten gesucht und gefunden (und nachgewiesen) worden, Kurzbiografien der beteiligten Musiker befriedigen das Informationsbedürfnis. Hier haben die bewährten Redakteurinnen Elisabeth Raabe, Maria Ostermann und Melanie Unseld für die Texte sowie Regina Vitali für die Abbildungen gute Arbeit geleistet. Das Thema wäre mit diesen 53 Beispielen noch lange nicht ausgeschöpft: man denke nur an das Desaster der Sinfonien Anton Bruckners bei ihren Premieren oder an das schönste aber auch wohl berühmteste aller Beispiele, so dass es hier nicht mehr aufgenommen zu werden brauchte, die Uraufführung von Ravels Boléro, nach der eine Pariser Dame befand, hier sei ein Verrückter am Werk und die übertrumpfende Reaktion des Komponisten, diese Dame allein habe das Werk verstanden (es sei doch wirklich keine Musik).
Auf jedem Blatt dieses Wandkalenders finden sich weitere Lebensdaten von Musikern, insgesamt über 1.000, so dass man täglich denken kann, an wen man will: Was will man mehr? Hängt ihn auf!
Peter Sühring
Berlin, 18.09.2012