Sorg, Timo: Beziehungszauber. Musikalische Interpretation und Realisation der Werke Thomas Manns. – Würzburg: Köngshausen & Neumann, 2012. – 353 S.: zahlr. Notenbsp.
ISBN 978-3-8260-4822-7 : € 58,00 (Pb.)
Bei Timo Sorgs Buch Beziehungszauber handelt es sich um eine Dissertation im Fach Musikwissenschaft, die sich klar an einen musik- oder literaturwissenschaftlichen Leserkreis wendet. Doch kann sicher auch der Musik- oder Thomas Mann-Interessierte Leser diesem in verständlicher Sprache verfassten Text etwas abgewinnen. Einzig die englisch- und italienischsprachigen Zitate, die an einigen Stellen direkt in den deutschen Satzbau eingefügt sind, erschweren gelegentlich die Lesbarkeit.
Methodisch klar und immer nachvollziehbar untersucht der Autor drei Kompositionen, die sich explizit auf Werke Thomas Manns beziehen: Benjamin Brittens Oper Death in Venice (nach Thomas Manns Novelle Tod in Venedig), Giacomo Manzonis Oper Doktor Faustus nach Manns gleichnamigen Roman und Hans Werner Henzes drittes Violinkonzert Drei Portraits, das sich auf drei Figuren des Doktor Faustus bezieht. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt „wie die Musik mit ihren eigenen Mitteln und Möglichkeiten das Werk Thomas Manns ‚erzählen’ und damit interpretieren, und wo sie an Eigenheiten des literarischen Werks anknüpfen kann.“ (S. 25) Der Autor betrachtet die musikalischen Werke als Interpretationen der literarischen, was er überzeugend anhand musikalischer Analysen, der Auswertung von Manuskripten, Äußerungen und Texten der Komponisten belegt. Dass er dabei nicht nur Analyse, sondern selbst auch eine „Interpretation der Interpretation“ liefert, scheint unvermeidbar, z. B. bei der Untersuchung des Violinkonzerts, das naturgemäß keinen Text bietet, mit dessen Hilfe Aussagen oder Inhalte der Musik verdeutlicht werden könnten (S. 268).
Gut lesbar wird diese wissenschaftliche Arbeit vor allem, weil sie sowohl einführende Überlegungen zum jeweiligen literarischen Werk bietet, als auch eine Einordnung der jeweiligen Komposition in den Schaffenskontext und Stil des Komponisten vornimmt. Während es zu Brittens Oper bereits umfangreiche Sekundärliteratur gibt, bietet Sorgs Arbeit vor allem erstmals eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Manzonis Oper und ergänzt die Literatur über Henzes Violinkonzert. Im Anhang hat der Verfasser eine Liste mit weiteren „Thomas-Mann-Kompositionen“ zusammengetragen, die zwischen 1933 und 2010 entstanden sind.
Reizvoll scheint die Beschäftigung mit „Vertonungen“ der Werke Manns auch vor dem Hintergrund, dass Thomas Mann es als Autor selbst strikt ablehnte, Opernlibretti zu verfassen, gleichzeitig aber Musik und reale sowie fiktive Kompositionen in seinem Schaffen eine große Rolle spielten. Das Verhältnis von Musik und Sprache, das in dieser Arbeit detailreich untersucht wird, hat eben auch Thomas Mann beschäftigt, z. B. in seinem Aufsatz Richard Wagner und der Ring des Nibelungen, dem der sehr passende Buchtitel zu verdanken ist.
Eva Schütz
Köln, 31.07.2012