Die Musikveranstaltungen bei den Mendelssohns – Ein ‚musikalischer Salon‘? Die Referate des Symposions am 2. September 2006 in Leipzig / Hrsg. im Auftrag des Mendelssohn-Hauses von Hans-Günter Klein. – Leipzig: Mendelssohn-Haus, 2006 (Leipzig – Musik und Stadt – Studien und Dokumente ; 2) – 101 S.: Abb.
ISBN 978-3-00-020514-9 : € 10,00
Der kleine Leipziger Tagungsband versammelt Beiträge, die sich dem Phänomen der musikalischen ‚Salonkultur‘ im 19. Jahrhundert widmen und dem Platz, der den verschiedenen Mendelssohnschen Veranstaltungen darin zukam. Bereits der erste Beitrag von B. Hahn ruft zu einer kritischen Betrachtung des Phänomens auf – an Briefen von Rahel Varnhagen kann sie zeigen, dass der konversationshaften Geselligkeit als einer nicht institutionalisierten und weniger konventionsgebundenen Umgangsform gerade von Frauen eine bedeutende Rolle zugeschrieben wurde, die bei einer unreflektierten Verwendung des Begriffs ‚Salon‘ unterbewertet zu werden droht. Der Überblick von P. Wilhelmy-Dollinger charakterisiert die Unternehmungen verschiedener Gastgeberinnen musikalischer Gesellschaften in Berlin in den Jahren von 1815 bis 1840, an denen ebenfalls zu erkennen ist, daß ihnen differenzierte soziale Funktionen zukamen, zugleich aber auch die zunehmende Konkurrenz zu anderen Formen von Musikaufführungen und die Position der Salons im Prozeß der Etablierung von nicht mehr nur-funktionalen Darbietungsformen [die knappen Verweise auf die „Musikübende Gesellschaft“ von 1749 – die allerdings wie eine formelle Akademie konstituiert ist – und die höfische Tafelmusik (S. 30) können jedoch ein sehr weites Feld institutioneller Situierung von Musik nur anreißen]. Die Salons reihen sich damit in deutlich ältere Traditionen ein, die ein umfassendes Bildungskonzept verfolgen. W. Dinglinger untersucht die „Sonntagsmusiken“ bei den Eltern Mendelssohn und hebt deren durchaus nicht salon-, sondern eher konzertartigen Charakter hervor, da sie erkennbar für Felix als Podium dienen sollten, um Erfahrungen gerade in der Orchesterarbeit zu bekommen (dies gilt zumindest für die vormittäglichen Veranstaltungen). H.-G. Klein stellt die von Fanny Hensel ab 1831 veranstalteten Sonntagsmusiken vor, die einen ähnlich konzertverwandten Charakter annahmen, neben weiterhin eher geselligen abendlichen Veranstaltungen. Sichtbar wird hier auch eine Familientradition, die private Musikaufführungen in einem ernsthafteren Kontext zu präsentieren sucht, weshalb auch die Berichte der Mendelssohns über andere Salons diese oft eher kritisch als oberflächliche Unterhaltungen beschreiben. Zum Schluß geht R. Wehner auf Felix Mendelssohn Bartholdys Verhältnis zum ‚musikalischen Salon‘ ein, wobei die Situation in Leipzig beschrieben wird, die Abgrenzung von Felix’ Kompositionen zu ‚Salonmusik‘ bleibt jedoch unkonturierter als die Diskussionen des Phänomens in den anderen Beiträgen. Die interessanten Beiträge sind ansprechend präsentiert (lediglich die etwas grobschlächtig gesetzten Übersichtstabellen irritieren optisch) und durch ein angesichts der zahlreichen in den Beiträgen fallenden Namen nützliches Personenregister erschlossen (das allerdings kleinere Schönheitsfehler aufzuweisen scheint: die Erwähnung von Henriette v. Pereira-Arnstein für S. 37/38 scheint sich auf ihre Nennung als Briefempfängerin zu beziehen, die jedoch nur in den Endnoten S. 86/87 fällt; die Nennung Julius Elsassers auf S. 56 ist nicht erfaßt, möglicherweise wiederum, weil er Briefempfänger ist). Zur differenzierten Betrachtung der Konstellationen, unter denen gesellige Musikpflege in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stattfand, geben die Beiträge dieser Tagung allemal anregende Anstöße.
Inga Mai Groote
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 28 (2007), S. 184f.