Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form / Hrsg. von Martin Tröndle. – 2., erw. Aufl. – Bielefeld: Transcript, 2011. – 398 S.: Abb. (Kultur- und Museumsmanagement)
ISBN 978-3-8376-1617-0 : € 32,80 (brosch.)
Das Publikum des klassischen Sinfoniekonzerts wird stetig älter und kleiner. Dieses hat institutionell an sozialer und ästhetischer Relevanz verloren. Eine dauerhafte Rettung des hochkulturellen musikalischen Erbes via öffentliche Darbietung gelingt nur durch Umsetzung der Maxime „Bewahren durch Verändern“. Mit diesen Kernthesen, flankiert durch historiografische Hintergründe und eine Legion an erprobten und potenziellen Lösungskonzepten, hat der Kulturbetriebsexperte Martin Tröndle als Herausgeber des Essaybandes Das Konzert in der deutschen Musiklandschaft für Furore gesorgt [s. Rez.)]. Neben Zustimmung evozierte die ebenso warnende wie konstruktive Bestandsaufnahme auch Gegenwind von abwägenden Einwänden bis zu rigoroser Ablehnung. Das rasche Erscheinen einer erweiterten Auflage steigert die Spannung enorm: Gibt es neue Lageberichte? Ist die Sprengkraft gemildert oder forciert? Zunächst stellt sich im rezeptionspsychologisch orientierten Kapitel „Ritual und Performance“ ein Nachzügler ein: der Kunstphilosoph Roger Behrens, der eine essayistische Studie zu „Klassik-Konzert versus Pop-Konzert“ programmatisch mit Chuck Berrys Roll over Beethoven and tell Tschaikowsky the news überschreibt, dabei das klassische Konzert seit jeher von der Popkultur infiltriert sieht, in der Postmoderne mit dem Ende von Massenkultur und Hochkultur die „kulturelle Lüge der Moderne“ (S. 158) entlarvt findet und letztlich anhand Walter Benjamins sprichwörtlicher Thesen die Auswirkungen von technischer Reproduzierbarkeit auf die Musikrezeption und ihr Zusammenspiel mit der event- und profitdiktierten Popkulturindustrie reflektiert.
Zweites Novum ist das ergänzte Schlusskapitel „Themen, Akteure und Motivationen im Klassikbetrieb“, das Tröndle und sein Friedrichshafener Professorenkollege Markus Rhomberg auf „Eine Diskursanalyse“ beschränken. Deren Objekt ist nichts anderes als das bundesweit lebendige Presseecho auf die Provokanz der Erstauflage. Der methodologische Vorspann verheißt die Lektüre eines Untersuchungsprotokolls von empirisch-neutraler, ja indifferenter Wertungshaltung. Doch spätestens beim Fokus auf fünf Primärkategorien, wenn z. B. betreffs „Krise des Konzerts“ auf Ausweichmanöver und Zweifel an demographischen Erhebungen angespielt wird, ist die Lunte gelegt. Weitere – begründete – Konter folgen und gipfeln in einer Breitseite gegen die Kritiker- und Abwehrfront, zu deren Kategorisierung Rhomberg und Tröndle ein Raster von fünf Strategien parat haben: von der „Verdrängungsstrategie“ diskussionsscheuer Intendanten bis zur „Schweigestrategie“ der politischen Finanzhoheiten. Trotz einer resümierenden Idee zur Etatverteilung also legt Tröndle reichlich Zündstoff nach. Wenn’s der Sache dient: Öl ins Feuer!
Andreas Vollberg
zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 32 (2011), S. 206f.