Veronika Beci: Die Familie Mozart

Beci, Veronika: Die Familie Mozart. – Düsseldorf, Zürich: Artemis & Winkler, 2005. – 280 S. :Ill.
ISBN 3-538-07211-6:24,90 € (geb.)

Um es gleich vorweg zu sagen: Die intelligente und witzige Aquarellzeichnung von Michael Mathias Prechtl auf dem Titelcover ist leider keine Vorankündigung eines qualitativ entsprechenden Inhalts. Mozarts Lebenswelt und die seiner Verwandten und Freunde steht uns nach Lektüre des Buches nicht klarer vor Augen, im Gegenteil, der Blick darauf wird durch überflüssige Exkurse und teilweise unerträgliche Spekulationen eher verstellt.
So sei das Bäsle im Frühjahr 1780 verärgert aus Salzburg abgereist, weil Wolfgang ihr einen Heiratsantrag gemacht habe. Seine Cousine sei aber nie an mehr als an Freundschaft interessiert gewesen (das hat man bisher in der Mozartliteratur anders gelesen). Den Beleg für diesen Sachverhalt sieht Beci in jenem Brief Mozarts vom Mai 1780, in dem er sein „liebstes, bestes, schönstes, liebenswürdigstes, reizendstes, von einem unwürdigen Vetter in Harnisch gebrachtes bäßchen“ zu besänftigen sucht. In einer beigefügten Ode à la Klopstock beschwört er das „süße Bild des Bäßchens“ und will ihr Myrtenzweige flechten. Und Myrten werden für Brautkränze verwendet, so Beci. Nun ist das Bäsle aber bereits im Frühjahr 1779 aus Salzburg abgereist und nicht im Frühjahr 1780, d. h. es kann gar keinen Zusammenhang zwischen der Abreise und dem Brief geben (die ursprüngliche Datierung des Briefes in das Jahr 1779 bei Bauer / Deutsch ist im Kommentar auf das Jahr 1780 korrigiert). Außerdem: hätte Mozart wohl mit „Edler von Sauschwanz“ unterschrieben, hätte er die Ode in anderer als in scherzhafter Absicht verfasst?
Für Beci ist auch offensichtlich, dass Constanze an Depressionen litt. Den Grund dafür sieht sie nicht nur in dem Verlust von vier Kindern, sondern in Mozarts Untreue. Der „geniale Komponist war ein notorischer Fremdgänger“ mit einem Hang zu Sopranistinnen und zum Küchenpersonal. In der Partnerschaft habe er als Mensch vollkommen versagt. Überhaupt habe Mozart sich mit Bedacht für die Weber-Tochter entschieden, denn mehr als eine „nette, reinliche, nicht ganz dumme Frau“ habe er nicht gesucht. Ein Blick in die jüngst von Silke Leopold neu herausgegebenen Briefe Mozarts an Constanze hätten die Autorin eines Besseren belehren können: Sie belegen in berührender Weise, dass Constanze ihm eben viel mehr war als nur Haushälterin oder Mutter seiner Kinder, nämlich Vertraute, Ratgeberin, Gespielin und Gefährtin, deren längere Abwesenheit er kaum ertragen konnte. Und was die angeblichen Seitensprünge anbelangt, so werden sie auch durch ständige Behauptung ohne Angabe zuverlässiger Quellen nicht wahrer.
So nett es auf den ersten Blick anmutet, dass einmal die Haustiere der Mozarts in einer Biografie vorgestellt werden, so kurios ist es, sie unter einer Rubrik mit der Dienerschaft abgehandelt zu sehen. Noch kurioser wird es, wenn Beci die bisher „sträfliche“ Vernachlässigung des Foxterriers „Pimperl“ in der Fachwelt mit dessen Geschlecht erklärt: „vielleicht wird ihre Existenz unter den Teppich gekehrt, weil sie halt nur eine – Hündin war“ (!). Wie schon Mozarts Schwester Anna Maria und seine Cousine Thekla sei auch die Hündin nur mit Kosenamen bedacht worden – Zeichen für die weiblichen Wesen aufgezwungene Minderwertigkeit.
Spätestens hier beginnt man, den gesunden Menschenverstand der Autorin in Zweifel zu ziehen. Überhaupt ist das ganze Buch penetrant einseitig aus feministischer Perspektive geschrieben. Die Frauen werden fast durchweg zu Opfern der rücksichtslosen Männer stilisiert, ihre Schwächen, z. B. die Trunksucht der Schwiegermutter Cäcilia Weber oder das zänkische Wesen Anna Maria Sulzers, der Mutter Leopolds, stets verständnisvoll entschuldigt (die Belastung durch Haushalt und Schwangerschaften, der doppelt so alte Ehemann etc.). Man muss keine Antifeministin sein, um das auf Dauer nervtötend zu finden. „Viele neue Erkenntnisse“ unter Auswertung aller erreichbaren Quellen wurden im Klappentext vollmundig versprochen. Davon abgesehen, dass die angeblich ausgewerteten Quellen nirgendwo genannt sind, beziehen sich die neuen Erkenntnisse allenfalls auf die Kapitel über die Familie vor und nach Mozart, die hier umfassender ausfallen als sonst in Mozartbiografien üblich. Einen Informationsgewinn mag man noch aus den Kapiteln über Constanzes Leben mit Nissen und über Mozarts Söhne ziehen.
Diese Aspekte wurden in der Fachliteratur in der Tat bisher spärlich behandelt. Im Klappentext werden die Ausführungen Becis unter Berufung auf die „Bibliotheksnachrichten“ in eine Reihe gestellt mit den Büchern der Historikerin Brigitte Hamman. Von deren gut recherchierten und glänzend geschriebenen Untersuchungen ist die hier vorliegende oberflächliche Darstellung allerdings weit entfernt. Wer die Mozartsche Familie wirklich aus dem Geist der Zeit heraus und in ihrem täglichen Leben verstehen will, der ist mit dem spannenden und fundierten Porträt von Werner Pieck aus dem Jahre 1998 allemal besser bedient.

Verena Funtenberger
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 26 (2005), S. 429f.

 

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