Sonntag, Sabine: Richard Wagner im Kino – Studien zur Geschichte, Dramaturgie und Rezeption filmmusikalischer Künstlerbiographien. – Köln: Dohr, 2010. – 412 S.: zahlr. Abb.
ISBN 978-3-936655-69-8 : € 39,80 (kart.)
Wagner im Kino. Das ist nichts Neues mehr. Schon oft wurden seine ausdrucksstarken Klänge als Filmmusik eingesetzt. „Mit seiner Idee, Musik als eigenständige, oft sogar kontrapunktische Schicht zur Handlung zu begreifen, gilt Richard Wagner Vielen als Erfinder der Filmmusik schlechthin“ (Buchdeckel). So wurde immer wieder die Verwendung seiner Musik in Spielfilmen untersucht, nicht aber das Auftreten des Bayreuther Meisters im Film selbst. Diese Lücke ist jetzt von der Regisseurin, Dramaturgin und Buchautorin Sabine Sonntag in ihrem neuesten Buch, dem eine Dissertation zu Grunde lag, geschlossen worden. Die Autorin hat gute Arbeit geleistet.
Akribisch nimmt sie das Erscheinen des Bayreuther Meisters auf der Leinwand von der Stummfilmzeit bis heute unter die Lupe, untersucht das Auftreten des Komponisten sowohl in den großen biographischen als auch in den Filmen, in denen Wagner nur als „supporting actor“ neben Ludwig II und Franz Liszt auftritt. Jeder Film, in dem Wagner in der Haupt- oder auch nur in einer Nebenrolle erscheint, wird von Sonntag ausführlich untersucht und hinsichtlich Handlung, Entstehungsgeschichte, Wagner-Darsteller, Konzeption und Erzähltechnik sowie Musikdramaturgie einer eingehenden Bewertung unterzogen. Zum Charakterbild Wagners ergeben sich dabei recht unterschiedliche Ergebnisse. Das ist indes eine Frage des jeweiligen Zeitgeistes.
Jede Ära hatte ihr eigenes Bild des großen Meisters, dem es im Film zu entsprechen galt. Die verschiedenen, den einzelnen Filmen zugrunde liegenden Intentionen und Moralvorstellungen der jeweiligen Ära werden eindrucksvoll aufgezeigt. Deutlich wird, wie schwierig es ist, ein in allen Facetten stimmiges Charakterbild Wagners zu zeichnen. Auch die Autorin will hinsichtlich des Wesens Wagners, der bei den Drehbuchautoren manchmal wenig gut wegkommt, nicht so recht Farbe bekennen. Sie beschränkt sich auf die Schilderung der Wagnerschen Erscheinungsbilder, wie sie die Filme aufzeigen, ohne sich einer Ansicht anzuschließen. Zu loben ist ihre detaillierte tabellarische Aufzählung der meistverwendeten Wagnerschen Musiken in sämtlichen hier diskutierten Leinwandepen. Nachhaltig offenbaren sich Sonntags hervorragende Kenntnisse sowohl der Wagnerschen Werke als auch der Filme. Interessant muten auch die dem Text beigefügten Interviews mit Zeitzeugen an. Wie unterschiedlich die Filme damals aufgenommen wurden, belegen zahlreiche von der Autorin gewissenhaft zusammengetragene Rezensionen. Insgesamt haben wir es hier mit einer beachtlichen und empfehlenswerten wissenschaftlichen Arbeit zu tun, deren Rang durch einige kleine Flüchtigkeitsfehler nicht geschmälert wird.
Ludwig Steinbach
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 167f.