Granata, Charles L.: Brian Wilson und die Beach Boys. Die Entstehung von Pet Sounds. / Übers. von H. Dedekind. – Höfen: Koch/Hannibal, 2007. – 208 S.
ISBN 978-3-85445-275-1 : € 19,90 (brosch.)
Noch vor wenigen Jahren schien es, als sei die letzte Welle für die Beach Boys ausgerollt und im Sand versickert. Dennis Wilson starb 1983 beim Tauchen; sein Bruder Carl erlag 15 Jahre später einem Krebsleiden. Und Brian Wilson? Der kreative Kopf der Band, der schon Mitte der 1960er Jahre die Bühne mit dem Produzentensessel gewechselt hat, befand sich wegen gesundheitlicher und psychischer Probleme seit Jahrzehnten schon in einer Schockstarre. Doch während die verbliebenen Mitglieder nostalgische konzertante Zeitreisen in die 1960er Jahre veranstalteten, erholte Brian Wilson sich und erklomm die letzten Stufen zum Pop-Olymp. 1988 veröffentlichte er sein erstes Soloalbum, dem er trotz des wirtschaftlichen Misserfolgs bald weitere Arbeiten folgen ließ. Neben neuen Produktionen konzentrierte Wilson sich auf die Auseinandersetzung mit zwei alten Alben, die ihm seinen Platz als ebenbürtigen amerikanischen Gegenpart zu den Beatles sicherten: Pet Sounds und Smile.
Obwohl Wilson spätestens seit der Neueinspielung des legendären, lange verschollenem Smile-Albums zum Medienliebling wurde, ist der deutschsprachige Büchermarkt noch ziemlich frei von Beach Boys-Literatur. Mit der vorliegenden Publikation trägt der Hannibal-Verlag, der schon Ende der 1990er Jahre eine Biografie der kalifornischen Band vorlegte, dazu bei, diesen Missstand abzubauen. Ein äußerst lohnenswertes Unterfangen, auch wenn die englische Originalausgabe des Buches bereits 2003 (also auch vor der Smile-Wiedergeburt) erschien. Dem Autor Charles L. Granata, der sich als Musikproduzent mit der Wiederveröffentlichung von Sinatra-Aufnahme bereits Meriten verdient hat, ist es gelungen, die Entstehung des popmusikalischen Meisterwerks Pet Sounds klar strukturiert und in einer angenehmen, gut lesbaren Sprache zu dokumentieren. Der Autor und Musikwissenschaftler führte zu diesem Zweck zahlreiche Interviews (u. a. mit dem Textdichter von Pet Sounds, Tony Asher, sowie mit den Beach Boys Bruce Johnston und Alan Jardine) und beschäftigte sich ausgiebig mit Sekundärliteratur – eine Vorgehensweise, die eigentlich zum journalistischen Ehrencodex gehören sollte, in der Literatur über Popmusik aber leider nicht durchgängig angewendet wird. In verdienstvoller Weise kreist Granata das Album von verschiedenen Seiten ein: Er legt dabei ebenso Wert auf die musikphysikalischen Besonderheiten des Beach-Boys-Harmoniegesangs wie auf die produktionstechnischen Meisterleistungen Wilsons, die textliche Neuausrichtung oder die oft und zu Recht kritisierten Werbemaßnahmen der Plattenfirma. Die Aufnahme in die Beach Boys-Präsenzbibliothek ist Granatas Arbeit sicher – möge dieser Erfolg dem Autor Ansporn sein, sich auch den oft vernachlässigten Nachfolgealben dieser großen amerikanischen Band zuzuwenden.
Michael Stapper
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 28 (2008), S. 195f.