Heatley, Michael: John Peel – Ein Leben für die Musik. – Berlin: I.P. Verlag Jeske/Mader, 2006. – 192 S.: 9 s/w-Abb.
ISBN 978-3-931624-33-0 u. 3-931624-33-1 : € 14,90 (Pb.)
Innerhalb der Vermarktungsmechanismen der Unterhaltungsindustrie sind Personenkult und Superstar-Inszenierung zu unverzichtbaren Faktoren der Profitmaximierung geworden. Doch nicht nur Berichte über die ausübenden Künstler füllen die Seiten der Magazine, auch die Vermittler, die Multiplikatoren und Moderatoren, sind dem Zwang zur Image-Optimierung zwecks Massenwirksamkeit unterworfen.
Im Herbst 2004 starb ein unscheinbarer Familienvater und Fussballfan, dem ein massenkompatibles Wirken wenig bedeutete. Er war kein Star und wurde dennoch zur Legende, sein Tod löste weltweit Betroffenheit aus. Das Gesicht des Mannes war in der Öffentlichkeit wenig bekannt, seine Stimme begleitete tausende Menschen in wichtigen Lebensphasen. John Robert Parker Ravenscroft arbeitete Jahrzehnte lang als Schallplattenunterhalter (DJ) beim Radio und legte dort meist zu später Stunde Tonträger auf, die die durchschnittlichen Hörer nicht interessierten. Den Mainstream mißachtend widmete er sich allem Unkonventionellen jenseits der ausgetretenen Pfade der Popmusik. Die persönlich ausgewählten musikalischen Sonderbarkeiten präsentierte der Mann, der sich früh das Pseudonym „John Peel“ gab, unaufgeregt sachlich und mit leicht ironisch-lakonischen Untertönen. John Peel liebte die Untertöne. Seine Zuhörerschaft bestand aus Menschen, die ihre ästhetischen Bedürfnisse gerade in jener wenig erschlossenen Topographie befriedigt fanden, deren Grenzen abgesteckt lagen zwischen Kosmischem und Komischem, zwischen Hippie- und Heavy-Sounds: im Underground.
In der John-Peel-Website von Radio 1 der BBC findet sich eine unüberschaubare Sammlung von Informationen, die das Renommee des Scheibenauflegers dokumentiert. Michael Heatleys Buch, das als Übersetzung einer englischen Originalausgabe vorliegt, ist dem übereilten Besuch der Website unbedingt vorzuziehen. Es beleuchtet chronologisch die Lebensstationen des DJs Peel und schließt mit Auflistungen gespielter Stücke von 1976–2003. Das Buch bietet Einblicke in die Geschichte der „Piratensender“ und in Bereiche des Musikbusiness, denen Peel als Beobachter und Förderer verbunden war. Er entdeckte den Glamrockstar Marc Bolan, als dieser noch dem musikalischen Underground zuzurechnen war, setzte sich für Exzentriker wie Captain Beefheart ein und ließ die deutschen Krautrocker von NEU! erklingen, als diese in ihrer Heimat kaum beachtet waren. Der Rezensent freute sich z.B. auch über Erläuterungen zur Entstehung des Namens der Band Ramones und über die Erwähnung der zu Unrecht vergessenen englischen Pionierin elektronischer Musik Delia Darbyshire.
Ein empfehlenswertes Buch, das im sonstigen Programm des I.P.-Verlages, das weitgehend dem Martialischen und Teutonisch-Tumben huldigt, etwas deplatziert erscheint.
Manfred Miersch
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 28 (2007), S. 196f.