Mösch, Stephan: Weihe, Werkstatt, Wirklichkeit. Wagners Parsifal in Bayreuth 1882–1933. – Kassel, Stuttgart [u. a.]: Bärenreiter, Metzler, 2009. – 464 S.
ISBN 978-3-7618-2050-6 : € 59,00 (kart.)
Richard Wagner (1813–1883) nannte den Parsifal seine letzte Karte. Im Jahre 1882 in Bayreuth erstmals aufgeführt, hielt sich die Uraufführungsinszenierung bis 1933 auf dem Spielplan der Festspiele. Parsifal ist ideengeschichtlich und aufführungspraktisch so eng mit dem Bayreuther Festspielhaus verbunden wie kein anderes Werk Wagners“(S. 4). Er hat Impulse gegeben, die bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg wirksam waren. Diesen Aspekten geht Stephan Mösch in seinem neuen Buch, das eine überarbeitete Fassung seiner Habilitationsschrift darstellt, in beeindruckender Art und Weise nach. Der Autor versteht seine Arbeit als „Versuch, ein Stück Festspielgeschichte als Aufführungsgeschichte zu erzählen, erfragen, erwecken“ (S. 9). Deutlich wird, dass den Aufführungen „eine kultisch-parareligiöse Funktion“ (S. 24) zukam: „Die Festspiele werden als Gralskult wahrgenommen, das Festspielhaus als Gralsburg, zu der man pilgert“ (S. 24). Wie sich Brüche, Neuorientierungen und geistige Strömungen der Festspielgeschichte in den Parsifal-Aufführungen exemplarisch spiegeln (vgl. Buchdeckel), wird prägnant dargestellt. Die Ausführlichkeit und Genauigkeit der von großer Sachkenntnis geprägten Ausführungen ist bewundernswert. Möschs hochkarätige Analysen sind von großer Sachkenntnis geprägt. Darüber hinaus hat er ausgezeichnete Recherchearbeit geleistet. Die Vielzahl der von ihm ausgewerteten, bisher größtenteils noch unbekannten Quellen lässt teilweise ein ganz neues Bild der Uraufführungssituation entstehen. Insbesondere die hier zum ersten Mal abgedruckten Briefe der Kundry-Sängerin Marianne Brandt über die Proben und Aufführungen 1882 in Bayreuth sind sehr interessant und kreieren ein völlig neues Bild des Regisseurs Richard Wagner. So ausführlich wie Mösch ist auch noch kein anderer Autor auf die Sängerbesetzung der Uraufführung eingegangen. Anhand seiner detaillierten Beschreibungen kann der Leser ein gutes Bild gewinnen, wie damals die Stimmen der Sänger geklungen haben. Nicht ausgeklammert wird Wagners und Cosimas krasser Antisemitismus, der in dem ausführlichen Kapitel über den jüdischen Dirigenten Hermann Levi ungeschminkt geschildert wird. Da nimmt Mösch wahrlich kein Blatt vor den Mund. Die Widersprüche des Parsifal und seiner Rezeptionsgeschichte glättet der Autor nicht, sondern geht ihnen auf den Grund. Für den Wagner-Spezialisten ist dieser hochwertige, gut geschriebene und sehr informative Band ein absolutes Muss!
Ludwig Steinbach
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 260