1808 – ein Jahr mit Beethoven / Hrsg. von Ute Jung-Kaiser und Matthias Kruse. – Hildesheim: Olms, 2008 . VII, 315 S.: s/w-Abb. (Wegzeichen Musik ; 3)
ISBN 978-3-487-13670-7 : € 42,00 (brosch.)
Zunächst erweist sich der Titel als etwas missverständlich: Es handelt sich nämlich um keine Jahreschronik, in der minutiös Beethovens Leben und Schaffen nachgezeichnet wird, sondern um eine Aufsatzsammlung mit neun Beiträgen von sechs Autoren, die sich zwar auf sehr unterschiedliche Weise mit seinen wichtigsten Werken dieser Zeit (5. bzw. 6. Sinfonie, Sonate für Violoncello und Klavier op. 69, Geister-Trio, die Vertonungen von Goethes Nur wer die Sehnsucht kennt, Chorfantasie) und mit biografischen Themen befassen (Gräfin Therese von Brunsvik, damalige Etablierung des Sinfoniekonzertes); doch wirklich Neues wird dabei kaum geboten. Die Abhandlung zur Rezeptionsgeschichte von Beethovens 5. Sinfonie in der DDR dürfte besonders den allein auf die Musik fixierten Leser am ehesten verblüffen; Helmut Loos bezieht sich dabei auf Reiner Kunzes (warum aber zwei Mal vollständig wiedergegebenes?) Gedicht Die Bringer Beethovens (1969), mit dem der Schriftsteller die kulturellen Zwangsbeglückungen des Staates anprangert, sowie auf HAP Grieshabers dazu gehörende Folge aus vier Holzschnitten (1976). Weitaus weniger spektakulär ist hingegen Hermann Jungs erneute Beschäftigung mit der Beziehung zwischen der Sinfonie Le Portrait musical de la Nature (1784) von Justin Heinrich Knecht und Beethovens Pastoral-Sinfonie, ein Thema, das nicht nur schon in den 1920er Jahren untersucht, sondern speziell von diesem Verfasser drei Jahre zuvor andernorts ausgebreitet worden ist; zwar spekuliert er noch über einen Einfluss Schillers, doch bezeichnenderweise referiert er dabei weitgehend Sekundärliteratur. Ute Jung-Kaiser spekuliert über das Sehnsuchtsmotiv in Leben und Werk Beethovens (hier besonders die 1808 entstandenen Vertonungen von Goethes Nur wer die Sehnsucht kennt) und sucht nach biografischen Spuren in der Chorfantasieop. 80. Stefan Weinzierl bewertet 1808 als das Geburtsjahr des inzwischen üblich gewordenen Sinfoniekonzertes, doch auch diese Untersuchung betritt kein wirkliches Neuland. Matthias Kruse legt eine fundierte Studie über Therese von Brunsvik vor (eine Kandidatin der „unsterblichen Geliebten“), wobei er besonders auf deren Engagement für eine moderne, an Pestalozzi ausgerichtete Kindererziehung eingeht – Erkenntnisse für Beethovens Schaffen darf man sich daraus gleichwohl nicht versprechen. Die Zusammenstellung von zahlreichen Urteilen über den Mittelsatz des Geistertrios ist sicher ganz interessant, doch auch dies wärmt viel Altbekanntes auf. Dass die Aufsatzsammlung gleichwohl für jeden interessant ist, der die angesprochenen Themen noch nicht näher kennt, soll hier nicht bezweifelt werden – zum „Pflichtexemplar“ für Musikbibliotheken reicht es indessen nicht.
Katharina Niehaus
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 258f.