#yeswecancan:
Köln soll Offenbach-Stadt werden
Heute noch der Mann, den kaum jemand kennt (darum fragen neuerdings große Plakate in der Stadt Köln zum einem steckbriefartigen Offenbach-Porträt: „Wer kennt diesen Mann?“), morgen schon der local hero – so hofft die Stadt Köln etwas für ihren verlorenen Sohn Jacques Offenbach (1819-80) tun zu können durch glamouröse Aktivitäten anlässlich seines 200. Geburtstags im kommenden Jahr. Motto: Yes, we cancan!
Köln ist nicht Bonn und Offenbach nicht Beethoven, und so muss auf etwas andere Art gefeiert werden als man es wohl 2020 dann in Bonn erleben wird. Weniger feierlich, weniger schwer. Offenbachs Muse ist das Gegenteil von schwer, man sollte es sich mit ihr aber nicht zu leicht machen, denn Offenbachs Leichtigkeit ist explosiv. Darum haben sich vor zwei Jahren die gerade noch rechtzeitig gegründete Offenbach-Gesellschaft und die Stadt Köln und der WDR und die Kölner Oper und das Städtische Sinfonieorchester Gürzenich (das glücklicherweise gerade einen französischen Chefdirigenten hat) und das Institut française und und und zusammengetan (nur der Dom fehlt noch), um den Kölnern endlich das zu geben, was sie lieben (sollen).
Zwar ist Offenbach nach Paris ausgewandert, aber er wäre dort niemals das geworden, was er wurde, wäre er nicht aus Köln gekommen. Das machte Konrad Beikircher in seinem launigen Festvortrag am 26.11.2018 im Historischen Rathaus bei der Auftaktveranstaltung zum Offenbach-Jahr 2019 plausibel, denn der Kölsche Jong oder Jeck oder vielmehr Purim-Knabe Jakob Offenbach, Köbes vom Griechenmarkt, hat sich auch in Paris nicht verleugnen können. Den Kölnern, besonders den jüdischen Kölnern, war es ja auch früher unter der Herrschaft des Code Napoleon schon mal besser gegangen als später unter den Preußen. Auf der Flucht vor der Pariser 48er Revolution kehrte Offenbach kurz mal nach Köln zurück, um hier den Männergesangverein mit Bürgerwehr- und Vaterlandsliedern zu beglücken. In Paris war er dann wieder durchaus ein Revolutionsgewinnler, durfte er doch endlich unter Napoleon III. so scharfe Operetten machen, wie es ihn gelüstete. Rheinischer Humor, jüdischer Witz und Pariser Esprit gingen eine furchterregende Mélange ein. Schwierig wurde es für den naturalisierten Franzosen nochmal 1870, als sich der hochmütige Franzosenkaiser von den kriegslüsternen Preußen zu einer Provokation provozieren ließ und es dem Offenbach so ging wie einst dem armen Chamisso in Berlin: den Franzosen galt er als feindlicher Deutscher und den Deutschen als feindlicher Franzos‘, vorübergehendes Ausweichquartier: Wien, nicht gerade bekannt für Cancan.
Was auf einer Pressekonferenz der Veranstalter vor dem Auftakt schon zu erfahren war: Die Kölner Oper hat noch eine jugendfreie Version von Hoffmanns Erzählungen im Repertoire und wird diese Oper für Kinder oder die ganze Familie während des Offenbach-Jahres wieder aufnehmen. Und wird noch eine Hunde-Oper völlig neu inszenieren lassen, die Geschichte vom Hund Barkouf, der schließlich regieren darf (sehr aktuell!) ‑ aber erst im Oktober, vorher darf schon La Grande-Duchesse de Gérolstein (Premiere am 9. Juni) ihr Unwesen treiben. Die Eröffnung des Offenbach-Jahres findet am 1. Januar auf der Eisbahn am Heumarkt statt, dicht gefolgt von der Offenbachiade des Gürzenich-Orchesters in der Philharmonie mit der konzertant dargebotenen Oper Oyayaye. Das Gürzenich lädt im Mai noch in die Philharmonie zur Uraufführung eines Lab.Oratoriums von Philippe Manoury, in dem die großen aktuellen Themen Migration und Exil ins Zentrum gerückt werden.
365 Tage lang an 20 Orten der Stadt wird geoffenbacht, was das Zeug hält ‑ wollen hoffen, dass es nach der langen Abstinenz keinen Offenbach-Cancan-Overkill gibt. Zehnmal wird das Kulturpolitische Forum des WDR 3 jeweils sonntags Podiumsdiskussionen rund um Jacques Offenbach veranstalten, die zur Besinnung beitragen werden. Während es am Geburtstag selbst (20.6.) im Großen Sendesaal des Funkhauses eine Geburtstagsrevue mit Dominique Horwitz und Berthold Warnecke unter dem Titel Ȏ Nuit d’Amour geben wird. Nach 2019 sollte es dann heißen: Offenbach for ever! Nichts ist heilsamer als sein satirischer Blick auf die Welt, gewürzt mit Musik, die beglückt. Denn, so wusste es schon Siegfried Kracauer: „Aus der Spottvogelperspektive der Offenbach-Operetten betrachtet, verkehrt sich das gewohnte Bild der Welt. Vieles, was unten zu sein scheint, befindet sich oben; vieles, was gemeinhin für groß erachtet wird, entpuppt sich als klein“.
Das Programm des Jubiläumsjahrs findet man unter www.yeswecancan.koeln
Peter Sühring
26.11.2018