Lexikon der Gesangsstimme. Geschichte, Wissenschaftliche Grundlagen, Gesangstechniken, Interpreten / Hrsg. von. Ann-Christine Mecke, Martin Pfleiderer u.a. Mit einem Geleitwort von Thomas Hampson. – 2., durchges. Aufl. – Laaber: Laaber, 2018. – 800 S.: s/w- und Farb-Abb, Tab., Notenbeisp. (Instrumentenlexika ; 5)
ISBN 978-3-89007-546-4 : € 118,00 (geb.)
Wissen Sie, was ein ‚Formant‘ ist? Die wenigsten werden es wissen, wenn sie sich nicht eingehend mit Gesang, seinen anatomischen Voraussetzungen und ein wenig Akustik beschäftigt haben. Dieses Buch allerdings gibt Aufschluss. Das Lexikon der Gesangsstimme ist eine Publikation, die eine große Lücke unter den Nachschlagewerken im Musikbereich schließt; es bündelt alles, was in irgendeiner Form mit der menschlichen Stimme zusammenhängt und vermittelt fächerübergreifend Zusammenhänge zu diesem Thema.
Der Laaber-Verlag hat es in gleich zwei Buchreihen eingegliedert: 1. Teil der Reihe Handbuch des Gesangs, dessen weitere Bände sich u.a. mit dem Phänomen des Gesangs aus historischer Sicht befassen und 2. der Reihe Instrumentenlexika, wobei sich das Buch in seiner Struktur von den anderen Bänden der Reihe unterscheidet. Um dem Anspruch beider Reihen gerecht zu werden, muss das Buch einiges bieten: der Gesang gestern und heute mit allem physikalischen, gesangstechnischen und medizinischem, physiologischen Wissen, was dazu gehört. Dass nach bereits zwei Jahren eine zweite durchgesehene Auflage auf dem Markt ist, spricht für das Buch. Ziel des Buches ist die Vernetzung der aktuellen Wissensstände verschiedener Disziplinen rund um den Gesang: Gesangspädagogik, Phoniatrie, Phonetik, Akustik, Anatomie, Stimmphysiologie, Musikmedizin, historische und systematische Musikwissenschaft, Interpreten. Damit wird das Thema weit gefasst, weiter als wir es gebündelt in der aktuellen Literatur finden können.
Dementsprechend richtet sich das Buch an einen relativ großen Kreis von Lesern aus den angrenzenden Fachgebieten wie Sänger, Musiker, Gesangspädagogen, Musikwissenschaftler, Stimmärzte, Stimmtherapeuten, Medienschaffende und Laien, die sich für Anatomie, Akustik, Musik-und Kulturgeschichte interessieren. Die Beiträge sind wissenschaftlich fundiert und von einem Team aus 60 Fachleuten verfasst, sodass alle, die sich in irgendeiner Form mit Gesang oder Stimme auseinandersetzen, noch Neues lernen bzw. fundierte Erklärungen und weiterführende Literatur finden. Die Herausgeber sind alle spezialisiert in den unterschiedlichen Disziplinen: Ann-Christin Mecke ist Musikwissenschaftlerin, Philosophin und Physikerin und arbeitet als Dramaturgin in Stuttgart. Martin Pfleiderer, ebenfalls Musikwissenschaftler, Philosoph und Soziologe, lehrt am Musikwissenschaftlichen Institut in Weimar mit Schwerpunkt Jazz. Bernhard Richter ist Arzt und Sänger und hat eine Professur am Freiburger Institut für Musikermedizin inne, wo er zu den Themen künstlerische Stimmbildung und Stimmphysiologie forscht. Thomas Seedorf lehrt als Schulmusiker, Musikwissenschaftler und Musikpädagoge an der Musikhochschule in Karlsruhe mit Schwerpunkt Aufführungspraxis, Interpretationsgeschichte sowie Geschichte und Ästhetik des Kunstgesangs. Alle Herausgeber verfügen über ein breites Netzwerk an Kollegen, die in den einzelnen Fachgebieten Spezialisten sind.
Aufgrund dieser Bandbreite ist mancher Beitrag vermutlich nicht für jedermann verständlich, denn auch wenn jeder weiß, dass Musik, Physik und Anatomie untrennbar verbunden sind, ist ein gelegentliches „Hä?“ beim Durchblättern zu vermuten. Alphabetisch sortiert finden sich Stichworte aus der menschlichen Physiologie rund um den Atemapparat, zum Kehlkopf oder zum Vokaltrakt, aus dem Bereich der Akustik finden wir Begriffe wie „Formant“ und „Schallspektrum“. Themen wie „Atmung“ und „Register“ werden seit dem 19. Jh. in der Gesangsphysiologie und der Gesangspädagogik kontrovers diskutiert – der aktuelle Stand wird in diesem Lexikon abgebildet. Auch kulturgeschichtliche Aspekte des Singens – von der Anthropologie bis zu Fragen der gesangspädagogischen Vermittlung – haben ihren Platz in dem Buch. Nicht fehlen dürfen natürlich ebenso die aufführungspraktischen Fragen bezüglich Verzierungen und Vortragsbezeichnungen. Der überaus große Bereich der musikalischen Gattungen und Komponisten wurde ganz bewusst nicht in das Buch aufgenommen, da den Herausgebern die Zahl der zu behandelnden Begriffe zu groß erschien, um alle umfassend zu behandeln. Eine kluge Entscheidung für diesen Band, doch ein erstrebenswertes Vorhaben für weitere Bände dieser Reihe(n). Aufgenommen wurden hingegen Sänger und Sängerinnen sowie Gesangspädagogen und zentrale Figuren der Stimmforschung. Allerdings muss auch hier die Auswahl unvollständig bleiben, denn der Versuch, wichtige Sänger zu benennen, ist zum Scheitern verurteilt. Die Begründung für die getroffene Auswahl der Interpreten findet sich allerdings im Vorwort. Eine weitere, aktualisierte und erweiterte Auflage ist in den nächsten Jahren zu erwarten, ist das Buch doch eine wertvolle Ergänzung der Musikliteratur zum ganzheitlichen, fächerübergreifenden Arbeiten.
Das Anliegen des Buches, nämlich zum Dialog zwischen den Disziplinen beizutragen, ist sehr gelungen und lobenswert! Denn durch die fächerübergreifende Diskussion wird es in Zukunft gelingen, die Perspektive für die eigene Forschung umfassender zu definieren.
Barbara Wolf
Heidelberg, 10.03.2018