Till Haberfeld und Oswald Georg Bauer: Wieland Wagner – Revolutionär und Visionär des Musiktheaters [Christoph Zimmermann]

Haberfeld, Till und Oswald Georg Bauer: Wieland Wagner – Revolutionär und Visionär des Musiktheaters – Berlin, Deutscher Kunstverlag 2017 – 311 S., 121 s/w u. 100 farb. Abb.
ISBN 978-3-422-07412-5 : € 68,00 (geb.)

Vor 100 Jahren wurde Wieland Wagner geboren, ein Regisseur, der aus Bayreuth wieder eine würdige Festspielstadt machte. Zur Erinnerung ist jetzt ein bildgesättigtes Buch erschienen, zwecks optimaler Präsentation der Fotos querformatig. Der prägende Textautor der Publikation, Oswald Georg Bauer, war einst Pressesprecher der Festspiele, ist somit ein fundamentaler Zeuge der Geschehnisse auf dem Grünen Hügel. Seine Dokumentation Die Geschichte der Bayreuther Festspiele [Rez. hier auf info-netz-musik]hat das vor nicht allzu langer Zeit bereits einmal bewiesen. Bauers Nähe zum Wagner-Imperium ist indes keine unkritische, was in Details sogar für Wieland Wagner gilt. Gleichwohl hält er ihn für einen der wichtigsten und prägendsten Szeniker der Nachkriegsjahre („Regisseur und Bühnenbildner in einer geradezu symbiotischen Personalunion“, S. 36). Das Oeuvre von Richard Wagner wurde für seinen Enkel zum inszenatorischen Schicksal, von dem er sich auf Dauer möglicherweise gerne befreit hätte. Die Beschäftigung Wieland Wagners mit Werken anderer Komponisten wie Gluck, Beethoven, Bizet, Verdi, Strauss, Berg und Orff, zumal in der Spätzeit seines allzu kurzen Lebens, kam nicht von ungefähr. Geplant war sogar Mozarts Don Giovanni mit Pierre Boulez, welchen er sich gerne auch als Festspiel-Dirigenten für Parsifal gewünscht hätte, stand er mit Hans Knappertsbusch ideologisch doch auf Kriegsfuß. Aber natürlich war Wieland Wagner zutiefst fasziniert von seines Großvaters geistig und musikalisch tiefschürfendem Oeuvre, dem er den Weg in eine zeitgemäße Gegenwart zu ebnen trachtete. Dass er als sein stets eigener Ausstatter anfangs noch einem leicht pittoresken Stil anhing (Parsifal, Bayreuth 1937 – das Buch bietet instruktive Bilddokumente), ist bei der festspielgeprägten Laufbahn verständlich. Auch später sollte Wieland Wagner seinen abstrahierenden Stil hin und wieder mit realistischen Elementen durchsetzen.
Von dominanter Bedeutung wurde jedoch sein Rückgriff auf den griechischen Mythos, auf Archetypik und Tiefenpsychologie sowie die Betonung des Tragischen (Unauflöslichkeit von Liebe und Tod). Innerhalb dieser Konzeption gab es freilich immer wieder interpretatorische Varianten. Für Wieland Wagner war ja stets „der Weg das Ziel“, so eine Kapitel-Überschrift Bauers (S. 3). Sein sprachgewaltiger Essay über den Regisseur Wieland Wagner wirkt sinnfällig und deutungspräzise, wird von dessen eigenen Äußerungen wie in „Überlieferung und Neugestaltung“ (Bayreuther Programmhefte 1952) kaum je überflügelt, freilich mit Nachdruck beglaubigt. Weitere Texte Wieland Wagners (darunter Briefe an etliche Künstler) sind hochinteressant, aber letztlich nur Ergänzungen, Bestätigungen. Das Buch enthält ein Verzeichnis der Inszenierungen Wieland Wagners. Die Szenenfotos bieten, da optisch nur Momentaufnahmen, sicher nicht letztgültige Eindrücke über seine Inszenierungen. Dass man mit den leicht sterilen Tannhäuser-Bildern von 1955/56 aber generell nicht harmonieren muss, darf gleichwohl gesagt sein. Aber diese Produktion war ein work in progress wie jede andere Inszenierung Wieland Wagners auch. Gerne blättert man immer wieder durch den opulenten Bildband.

Christoph Zimmermann
Köln, 12.08.2017

 

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