Jaretzky, Reinhold: Bertolt Brecht (1898–1956). Rowohlt Monographie. Gelesen von Wolfgang Schmidt und Axel Thielmann. – Berlin: Deutsche Grammophon Literatur, 2006
ISBN 3-8291-1746-9 : € 11,90 (2 CDs: 140 min)
Vier Nachveröffentlichungen: Berlin: Deutsche Grammophon Literatur Hörbücher, 2006:
Bertolt Brecht: Galileo Galilei (Berliner Ensemble) -
ISBN 3-8291-1656-X : € 7,99 (2 CDs: 159 min)
ders.: Die Mutter (Berliner Schaubühne) -
ISBN 3-8291-1655-1 : € 7,99 (2 CDs: 166; 39 min)
ders.: An die Nachgeborenen (Gedichte und Lieder mit Therese Giese) -
ISBN 3-8291-1654-3 : € 7,99 (3 CDs: 185 min)
ders.: Lieder und Balladen (es singt und spricht Klaus Kinski) –
ISBN 3-8291-1653-4 : € 6,99 (1 CD: 59 min) (alle Preise unverbindl. Empfehlung)
Leicht verspätet, also unpünktlich zum 50. Todestag des Gedichte- und Stückeschreibers erschien Anfang Oktober die neue Rowohlt-Monographie über Leben und Werk Bertolt Brechts als Hörbuch-Ausgabe. Reinhold Jaretzky versucht eine aus der historischen Distanz sympathisch aber auch neutral ausfallende Sicht auf Brecht; er beschreibt dessen Wandel: vom anarchisch-nihilistischen Augsburger Bänkelsänger zum Produzenten von Stücken eines verfremdeten Misukthaëters, zum dialektischen Oberlehrer (der – politisch motiviert – die Bühne mit einer pädagogischen Anstalt verwechselt) bis zum resignierten Mitläufer eines schieflaufenden sozialistischen Experiments in einem deutschen Teilstaat. Der frühere Vorteil der alten Serie der Rowohlt-Monographien, die noch ihren Untertitel „in selbstzeugnissen und bilddokumenten“ führte, ist verschwunden zugunsten einer mit weniger Zitaten gespickten Nacherzählung und vielen, in der Hörbuchversion unsichtbaren Bildern. Der Leser der Brecht-Zitate (Axel Thielmann) findet vor lauter Understatement nicht den rechten Ton. Großes Gewicht legt die Darstellung auf die pseudokollektive Arbeitsweise Brechts, die zu ständig wechselnden Mitarbeiter(inne)n führte, zu Abhängigkeiten und Trennungen, zu Treue- und Verratritualen. Dem Zerwürfnis mit dem Komponisten Kurt Weill (der Brechts Hinwendung zum Marxismus idiotisch fand) steht die langanhaltende Koproduktion mit Hanns Eisler und Paul Dessau gegenüber (mit denen Brecht dann in der DDR diese Hinwendung in seinen Streitigkeiten mit stupiden Parteifunktionären ausbaden durfte). Diese vorgelesene Rowohlt Monographie macht zwar ein erstes Kennenlernen mit Brecht möglich, zweifelhaft aber ist, ob sie animieren kann, dieses typisch deutsche Schicksal näher kennenlernen zu wollen.
Die Deutsche Grammophon Gesellschaft hat termingerecht aus ihren Archiven vier aus den letzten Jahrzehnten stammende Literatur-Schallplatten als CD-Hörbücher wiederveröffentlicht. Klaus Kinski mit Klampfe rezitiert Brecht schon kurz nach dessen Tod so pathetisch, als wäre er ein Symbolist oder Expressionist der ersten Stunde gewesen, Therese Giese trifft den aus Nüchternheit, Melancholie, Sarkasmus und Kampfgeist gemixten Ton Brechts schon sehr viel besser, die beiden Schauspiele mit der Musik von Eisler (Galileo Galilei und Die Mutter) wirken notgedrungen etwas steril. Es sind eben einfach keine Hörspiele.
Peter Sühring
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S. 394f.