Beatles to Bowie. The London 60s. Photographs / Hrsg. von Terence Pepper, mit Texten von Jon Savage und Terence Pepper. – München: Schirmer/Mosel, 2009. –207 S.: mehr als 300 Farb- und Duotone-Tafeln
ISBN 978-3-8296-0381-2 : € 46,00 (geb.)
Pop ist mehr als E-Gitarre, Schlagzeug und Dominant-Tonika-Beziehungen. Pop ist Mode, Image, Überzeugung, Malerei und vieles mehr. Und er ist Fotografie: Zappa auf dem Klo oder Jackos Thriller-Pose – ohne die visuelle Komponente wäre Pop nicht perfekt. Nun hat diese Spielart zeitgenössischer Kultur Dimensionen, die zur angemessenen Darstellung zeitlicher und örtlicher Grenzen bedürfen. Terence Pepper, Herausgeber und Curator of Photographs an der Londoner National Portrait Gallery, hat für den vorliegenden Fotoband die Schlagbäume 1960 und 1969 und überwiegend um die britische Hauptstadt herum aufgestellt. Diese anglophile Sichtweise kann man akzeptieren, gab es doch nicht viele pophistorische Drehkreuze, die es mit „Swinging London“ aufnehmen konnten.
Die englische Originalausgabe des Bandes erschien anlässlich der Ausstellung Beatles to Bowie: the 60s exposed, die Pepper 2009 für seinen Arbeitgeber eröffnete und die 2010 auf Wanderschaft durch England geht. Auch wenn es schwer fällt, sollte nun Neil Tennant von den Pet Shop Boys gedankt werden (liebgewonnene Vorurteile gegen diese Popgruppe dürfen auch von objektiven Rezensenten nicht achtlos über Bord geworfen werden). Tennant war es nämlich, der Pepper mit Jon Savage bekannt machte, dem hochgerühmten Autor von England’s Dreaming sowie Teenage und eine große Hilfe nicht nur bei der Auswahl der Fotografien. Savage nämlich hat dem Band einen hervorragenden Essay vorangestellt. Die musikalische Geschichte der 1960er Jahre im Spiegel der Fotos, von der ausgelassenen Fröhlichkeit der Beatbands über die stilistisch selbstbewussten Mods bis zu den kreativen Spielereien der auseinanderdriftenden Spätsechziger – Savages Text erreicht in seiner kompakten, schlüssigen Form eine Eindringlichkeit, die selbst die Erläuterungen des foto-fachlich versierteren Kurators Pepper übertreffen.
Die rund 300 Fotografien werden jahresweise zusammengefasst. Zu Beginn jedes Kapitels gibt Pepper einen Überblick über die ausgewählten Exponate unter besonderer Berücksichtigung der Fotografen und der damaligen Publikationen. Den großformatigen Bildern nachgestellt ist jeweils eine Doppelseite mit 10 bis 15 Plattencovern oder Zeitschriftentiteln mit weiteren Informationen zum jeweiligen Popjahr. Das Buch endet mustergültig mit Kurzbiografien aller enthaltenen Fotokünstler und einem Register. Und die Fotos? Die Aufnahmen sind eine Wucht! Präzise Charakterstudien (Lennons Surrealismus und McCartneys ironische Brechung auf dem Sonnenschirmfoto, S. 81), genial-witzige Schnappschüsse (Bee Gees mit Hüpfball, S. 173) oder sensible Porträts (Danny Williams, S. 44). Kurz gesagt: Es gibt absolut keinen Grund, warum pop-, grafik- oder geschichtsinteressierte Leser dieses Buch nicht haben sollten.
Michael Stapper
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 176f.