Schleicher, Anne : Die Geschichte der Musikbibliothek Peters. – Berlin : BibSpider, 2016. – 223 S.: 23 s/w-Abb.
ISBN 978-3-936960-89-1 : € 28,00 (brosch.)
Die Musikbibliothek Peters ist 1893 in Leipzig von Max Abraham, dem Inhaber des berühmten Musikverlages gegründet worden. Als Grundstock dafür hatte er zuvor die rund 8.000 Titel umfassende Bücher- und Musikaliensammlung von Alfred Dörffels Leihanstalt für musikalische Literatur erworben, die hier seit 1861 bestand. Abrahams Einrichtung ist die erste öffentliche und kostenlos zugängliche deutsche Musikbibliothek, durch die vor allem Studierenden ein leichter Zugang zu den teuren und oftmals nur schwer erhältlichen Notenausgaben sowie der Fachliteratur ermöglicht wurde. Neben Neuerscheinungen kamen im frühen 20. Jahrhundert einige erstklassige Privatnachlässe hinzu, wodurch der Bestand um Handschriften (darunter auch wertvolle Autographe), Gemälde und Skulpturen erweitert wurde. Ab 1895 erschien hier noch das Jahrbuch der Musikbibliothek Peters, das zuerst über die Arbeit der Institution berichtete, sich aber bald zu einem der wichtigsten Periodika der deutschen Musikwissenschaft entwickelte.
Zunächst scheint sich die Geschichtsschreibung einer Bibliothek allenfalls für den Spezialisten als Lektüre zu eignen, doch in ihrem Schicksal und dem ihrer Eigentümer spiegeln sich die fundamentalen Umbrüche des 20. Jahrhunderts auf oftmals tragische Weise wider. Nach Abrahams Tod übernahm dessen Neffe Henri Hinrichsen 1900 den Verlag samt Musikbibliothek. Während diese den Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik und die Inflation noch einigermaßen gut überstanden hatte, war sie danach immer wieder in ihrer Existenz bedroht. Im „Dritten Reich“ war es bis zur erzwungenen „Arisierung“ nur eine Frage der Zeit, und während ein Teil der Familie Hinrichsen damals emigrieren konnte, blieb Henri – ein Bewahrer deutschen Kulturerbes! – samt einiger Angehöriger in Leipzig, wurde deportiert und 1942 in Auschwitz ermordet. Nach den Bombennächten gefährdeten Nachkriegschaos, Plünderungen durch die Besatzer und die ideologische Engstirnigkeit der sozialistischen Bürokraten das Fortbestehen der Sammlung. Dann kam die „Wende“, und jetzt waren alte Besitzansprüche und damit zusammenhängende Restitutionsfragen zu klären. Einige Verluste waren zwar unvermeidbar (darunter allerdings einige wertvolle Autographe), doch konnte die Bibliothek letztlich gerettet werden und steht der Forschung und Lehre weiterhin zur Verfügung. Sie befindet sich seit 2013 im Besitz der Stadt Leipzig, umfasst heute ungefähr 24.000 Medieneinheiten und wurde aufgrund ihrer großen Bedeutung ins „Verzeichnis national wertvollen Kulturguts“ aufgenommen.
Anne Schleicher hat die spannende Geschichte der Institution umfassend und akribisch nachgezeichnet und dafür nicht nur die erstaunlich umfangreiche Sekundärliteratur sondern vor allem Archivmaterial ausgewertet (darunter Briefe Beteiligter, behördliche Verfügungen und gesetzliche Bestimmungen). Gleichwohl ist es ein etwas sperriges Thema, und der verdienstvollen Darstellung hätte gelegentlich ein Funke feuilletonistischen Geistes gut getan.
Georg Günther
Stuttgart, 11.09.2016