Leo Blech. Komponist – Kapellmeister – Generalmusikdirektor / Hrsg. von Jutta Lambrecht – Berlin: Hentrich & Hentrich, 2015 – 107 S., s/w-Abb., Zeittafel, Literaturverz. (Jüdische Miniaturen ; 173)
ISBN 978-3-95565-091-9 : € 9,90 (Broschur)
Vorliegende Biografie über den Dirigenten und Komponisten Leo Blech (1871-1958) ist die jüngste Publikation innerhalb der Reihe Jüdische Miniaturen. Blech war nämlich – im nazistischen Jargon ausgedrückt – nicht-arischer Herkunft. Obwohl er sein 1906 angetretenes GMD-Amt an der Berliner Staatsoper mit Duldung Görings bis 1937 ausüben konnte, war die Emigration (Riga, Stockholm) irgendwann unumgänglich. 1949 Rückkehr, diesmal an die Städtische Oper Berlin. Ein Sturz während einer Aufführung von Bizets Carmen (Blechs Leib- und Magen-Oper) beendete die Alterskarriere allerdings ziemlich schnell.
Eigentlich sollte Leo Blech auf Wunsch seines Vaters, eines Aachener Bürstenfabrikanten, einen „soliden“ Beruf ergreifen. Der Drang zur Musik war jedoch übermächtig, und die nachweisliche Begabung stimmte das Familienoberhaupt schließlich gnädig. Vor allem zwei Persönlichkeiten waren für Blechs künstlerische Laufbahn entscheidend, nämlich der Komponist von Hänsel und Gretel („Das Wenige, was ich kann, habe ich bei Humperdinck gelernt“, S. 76) und Richard Strauss. Durch dessen Empfehlung kam Blech nach ersten Kapellmeisterstationen in Aachen (u.a. Premiere seiner ersten eigenen Oper Aglaja) und Prag (u.a. Uraufführung von d’Alberts Tiefland) an die Berliner Staatsoper, seinem Wirkungszentrum für die nächsten drei Jahrzehnte.
Blechs musikalischer Horizont war ganz sicher nicht klein, besaß aber Grenzen. Barockes war Blechs Ding per se nicht, auch mied er die radikale Moderne. Prinzipiell verstand er sich als Sachwalter eines durch Tradition bewährten Repertoires, welches er auf Basis seiner reichen Erfahrung dem Nachwuchs zu vermitteln trachtete. Der könne dann – leicht spitze Bemerkung – „darauf natürlich ganz anders die zwölf Töne, oder was alles sonst noch kommen mag, aufbauen, als wenn der Boden fehlt“ (S. 72). Ein nicht ganz unanfechtbarer Standpunkt, jedoch ein ehrlicher, überzeugter. Und wenn Blech musikalisch etwas in die Hand nahm, dann mit Feuer und Flamme. Einen (auch visuellen) Eindruck davon vermittelt ein historisches Filmdokument mit Wagners Meistersinger-Vorspiel (enthalten in Musikstadt Berlin, auf Youtube verfügbar). Blechs Probenintensität wie auch seine akribischen, ja autoritären Ansprüche an verabredete Aufführungsmodalitäten wurden bewundert, waren aber auch gefürchtet. Seine Strenge bekamen vor allem Sänger zu spüren, etwa die junge Birgit Nilsson. Das alles liest sich in den kenntnisreichen Beiträgen der vier Autoren ebenso spannend wie flüssig.
Früh schon nahm Blech Platten auf, vor allem aus dem Opernbereich; weiterhin gibt es Violinkonzerte mit Fritz Kreisler. Eine CD-Anthologie Mozart-Raritäten ist erfreulicherweise nach 10 Jahren immer noch auf dem Markt. Zudem kamen vor kurzem Konzertmitschnitte aus dem RIAS-Archiv an die Öffentlichkeit. Vor nicht langer Zeit wurde Leo Blechs Berliner Ehrengrab aufgelassen und neu belegt, was vehementen Protest zur Folge hatte. Nicht zuletzt dieser beschämende Vorgang war Auslöser für das vorliegende Buch.
Christoph Zimmermann
Köln, 31.08.2015