Richard Strauss: Betrachtungen und Erinnerungen / Hrsg. von Willi Schuh – überarb. Ausg. – Mainz: Schott, 2014. – 261 S.
ISBN 978-3-7957-8420-1 : € 14,50 (Pb.)
Der 150. Geburtstag von Richard Strauss hat publizistisch längst nicht so viel Resonanz gefunden wie beispielsweise Richard Wagners 200. Geburtstag im letzten Jahr. Das ist eigentlich erstaunlich, da Richard Strauss kaum weniger als Wagner einer der gegenwärtig am meisten gespielten Komponisten in Oper und Konzertsaal ist. Immerhin beschert uns das Jubiläumsjahr die eine oder andere aktualisierte Neuauflage. So auch den vorliegenden Band, dessen Erstausgabe bereits 1949, im Todesjahr von Strauss bei Atlantis in Zürich erschien, und seither zahlreiche Neuauflagen, englische und französische Übersetzungen und Verlagswechsel erfuhr. Herausgeber ist Willi Schuh, der leider nur den ersten Band seiner groß angelegten Strauss-Biographie fertigstellen konnte. Im vorliegenden Buch trägt er die unterschiedlichsten Dokumente aus Strauss‘ eigener Feder zusammen, Briefe, Zeitschriftenartikel, Vorworte, längere Abhandlungen über einzelne Werke oder Komponisten. Von besonderem Interesse sind zweifellos die Reflexionen über die eigenen Opern, bei denen sich Strauss als erstaunlich und erfreulich uneitler Künstler erweist, gleichzeitig aber dem Leser viel über seine Intentionen verrät. Auch familiäres findet breiten Raum, Reflexionen über den eigenen Musiker-Vater, eine liebevolle Würdigung der Künstlerlaufbahn seiner Ehefrau, der Sängerin Pauline de Ahna. Diverse offene Briefe und Zeitungsartikel zeigen Strauss als einen höchst engagierten und kritischen Beobachter der kulturellen Szene. Mit Sicherheit machte er sich mit offenen Worten nicht nur Freunde. Das von ihm angestoßene neue Urheberrecht für Komponisten und das von 1933 bis 1935 ausgeübte Amt des Präsidenten der Reichsmusikkammer sind äußere Zeichen seines kulturpolitischen Engagements, das aber bis heute kontrovers diskutiert wird. Seine Artikel über Komponisten geben Zeugnis von seiner großen Kennerschaft und dem großen künstlerischen Respekt vor den Werken von Wolfgang Amadé Mozart, Franz Schubert, Gustav Mahler und Johann Strauß. Nicht berücksichtigt wurden Dokumente, die heute nicht mehr von allgemeinem Interesse sein dürften, wie kurze Erklärungen, Dementis, Richtigstellungen, etc. Die Beiträge stammen aus insgesamt sechs Jahrzehnten, sind also gleichzeitig ein Spiegelbild der menschlichen und künstlerischen Entwicklung des Komponisten.
Für jeden an der Person und dem Komponisten Richard Strauss Interessierten ist das Buch Pflichtlektüre, umso mehr, als eine umfassende biographische Würdigung von Strauss bis heute nicht verfügbar ist.
Peter Sommeregger
Berlin, 22.10.2014