Easlea, Daryl: Peter Gabriel. Die exklusive Biografie. Aus d. Engl. von Paul Fleischmann. – Höfen: Hannibal, 2014. – 496 S.: zahlr. SW-Fotos
ISBN 978-3-85445-459-5 : € 29,99 (Hardcover)
Hätte man es nur erlebt: Ende der 1970er Jahre in einem Rockkonzert. Der rührselige Klassiker A whiter shade of pale in einer ungestümen Punk-Version. Gesungen von Peter Gabriel. Selten hat ein Musiker seine Vergangenheit hemmungsloser zertrümmert. Gerade dieser Gabriel, der mit seinen Kollegen von Genesis mitverantwortlich dafür war, dass die Punk-Bewegung gegen den übertrieben ambitionierten Prog-Rock Sturm lief, schien die Seiten gewechselt zu haben. Hat er aber nicht. Denn für Peter Gabriel gibt es weder Seiten noch Grenzen. Er singt Punk, wenn ihm danach ist; trägt groteske Kostüme, wenn es die Dramaturgie verlangt und fährt Solsbury Hill-singend mit dem Fahrrad über die Bühne. Nicht von ungefähr heißt die englische Originalausgabe dieser Biografie: Without frontiers.
So sind es auch Gabriels wechselnde Leidenschaften, seine musikalische Experimente und das kulturelle Engagement, die es dem Autor Easlea in dem durchaus wohlwollenden Porträt besonders angetan haben. Eine Fülle von Informationen hat er zusammentragen, Interviews geführt und Quellen gesichtet. Das Ergebnis auf knapp 500 Seiten ist beeindruckend. Easlea gliedert Gabriels Leben in drei Phasen: Deren erste umfasst Kindheit und die wachsenden Erfolge mit Genesis (bis 1975). Die Mitte ist der Solo-Karriere bis zum Klassiker So gewidmet (1986). Abgeschlossen wird der Band mit den durch zahlreiche gesellschaftspolitische Aktionen gekennzeichneten Dekaden seit den späten 1980er Jahren. Die zahlreichen produktionsrelevanten Details und personellen Verstrickungen zeigen, dass Easlea mehr als nur einen oberflächlichen Blick auf den Musiker und sein Umfeld geworfen hat. Auch der bürgerliche Hintergrund Gabriels und seine Ausbildung in der renommierten Privatschule Charterhouse sind wiederholt angeführte und nachvollziehbare Karrieretriebfedern.
Vollends überzeugt die Biografie jedoch nicht. Ausgehend von einer auf Distinktion angelegten Gesellschaft, die auch annäherungsweise nicht als „classless“ bezeichnet werden konnte, hätte in einer sorgfältigeren Beschreibung der Wechselwirkung zwischen Bürgertum und Jugendbewegung mehr Potential gelegen. Auch bleibt der Mensch Gabriel hinter dem Künstler merkwürdig blass. Private Beziehungen werden ebenso beiläufig behandelt wie Gabriels Talente als Instrumentalist oder die philosophischen Hintergründe seiner sprachlich-musikalischen Werke. Dies mag auch daran gelegen haben, dass Easlea zwar viele Interviews geführt hat, Gabriel selbst aber nicht zu den Gesprächspartnern gehörte. Dass der Text mitunter sprunghaft wirkt, ist auch der Übersetzung geschuldet, bei der Begriffe wie „glosend“ (S. 272) oder „imperiale Phase“ (S. 153) wie Fremdkörper wirken. Hier wäre ein aufmerksameres Lektorat wünschenswert gewesen. Wertvolle Hilfe für die weitere Beschäftigung mit dem außergewöhnlichen Künstler bietet dagegen der Anhang mit umfangreicher Diskografie und Bibliografie (inkl. Weblinks).
Michael Stapper
München, 11.11.2014