Mambo Kurt: Heimorgel to Hell – München: Piper, 2014. – 200 S.: farb. Abb.
ISBN 978–3–492-30609–6 : € 9,99 (geb.; auch als e-book)
Hier kommt Kurt. Mambo Kurt. Wer den „durchgeknallten Typ mit der Heimorgel“ – wie er sich selbst bezeichnet – einmal live erlebt und Feuer gefangen hat, wird dieses Buch lieben. Wie auf der Bühne, heißt das Motto der Rampensau Kurt, der seit über 15 Jahren Stücke bekannter Pop- und Rockbands auf dem mehrgeschossigen Tastenmonstrum covert: It’s Showtime!
In 29 Kapiteln beschreibt der Heimorgel-Rocker, der eigentlich mit bürgerlichem Namen Rainer Limpinsel heißt, charmant und stets mit einem flotten Spruch zwischen den Zeilen, sein „glamouröses Leben als Alleinunterhalter“ – der er streng genommen gar nicht ist. Mambo Kurt ist vielmehr Künstler und Chaot durch und durch, mit einem Leben voller Sex, Drugs und Bossa Nova. So sieht das zumindest Autor Mambo Kurt.
Das autobiografische Buch beginnt nicht chronologisch, sondern fängt in der Mitte an. Es erzählt vom Spital-Alltag des Medizinstudenten im 10. Semester, der dort als Nachtspringer jobbt. Eigentlich will Mambo Kurt Chirurg werden, schwört aber ziemlich bald der Aussicht auf ein gut bezahltes Weißkitteldasein ab und tauscht die Medizinerrobe gegen einen Retro-Anzug und getönte Brille. Mit seiner ersten Band Alles geklaut ev., von der er wohl heute noch Stücke im Repertoire hat, wagt er die ersten musikalischen Gehversuche und ist schon bald Lokalmatador in seiner Heimatstadt Hagen. Denen zeigt er ordentlich, was wo die Heimorgel hängt und was man mit ihr so alles anstellen kann.
Ziemlich bald bekommt der Leser einen hautnahen Eindruck von Kurts Person, vor allem von seinem „Frauentyp“ sowie von Freunden und Familie, die auf 6 Innenseiten im Buch auf Farbfotos mit handschriftlicher Erläuterung verewigt sind. Das gibt dem Ganzen eine sehr intime Note und man fühlt sich fast auf Du und Du mit dem Schreiberling. Besonders gerne schwelgt Mambo Kurt in Neunziger-Nostalgien. Fast glaubt man beim Lesen, diese Zeit live mitzuerleben. Da geht es u. a. ausführlich um Mofas und andere zeitgemäße Fortbewegungsmittel – auto-biografisch im wahrsten Sinne.
Nach einem großen Ausflug in die Welt von Klein Kurt, geht es dann ans Eingemachte. Ausufernde Partynächte inklusive Saufgelage – all das gehört eben zu einem echten Orgel-Rocker-Alltag dazu. Auch Groupies kommen darin vor, aber zumeist sind das die von anderen Stars, wie Iggy Pop, dem er auf einem seiner zahlreichen Festival-Auftritte gegenüber steht. Doch Mambo Kurt verliert nie den Bezug zur Realität oder gerät in Gefahr, abzuheben. Und er zeigt, dass er auch anders kann. Z. B. bei Ausflügen ins Theater- und Film-Business. Er taucht in Veronas Welt ab und tritt in der gleichnamigen RTL-Show von Frau Feldbusch auf, von der er eine hohe Meinung zu haben scheint. Überhaupt kommen eigentlich alle beschriebenen Personen im Buch erstaunlich gut weg. Bis auf Kurts Erkenntnis, dass die Randgruppe der Künstler doch im Allgemeinen ein sehr spezielles Völkchen ist und, angefangen vom Schauspieler über den Moderator bis hin zum Musiker alle auf eine gewisse Art und Weise einen Schuss zu haben scheinen.
Auch in seiner verstorbenen Mutter, die er sehr bewunderte, steckte für ihn eine echte Künstlerin. Zum Schluss wird der gute, noch nicht ganz so alte, Mambo Kurt dann nochmal philosophisch und sentimental. Das letzte Extra-Kapitel ist Mambos Mama gewidmet, die sogar auf einer CD als Sängerin mit dem Künstlernamen Heidi Schulz zu hören ist. Die Aufnahmen wurden wegen der hohen Live-Lampenfieber-Gefahr der Mutter im heimischen Wohnzimmer gemacht – wo sich die Leser sodann selbst wähnen und Mäuschen spielen dürfen.
So manch einer könnte nach dem Zuklappen von Heimorgel to Hell wehmütig denken: Es hätten durchaus noch mehr Seiten sein können. Denn wunderbar unterhaltsam und unglaublich authentisch ist sie, die Welt des Mambo-Kurt. Und tatsächlich glamourös. Wer also wissen will, wie man es schafft, mit einer Heimorgel 45.000 Partypeople in Ekstase zu versetzen oder das Geheimnis lüften mag, warum Mambo Kurt die dritte CD von Alben einfach übersprungen hat, der sollte auf jeden Fall zu diesem Buch greifen. Und der, dem Schmökern allein hier nicht genügt und den Drang verspürt, diesen durchgeknallten Orgel-Typen als Zuhörer zuzujubeln zu wollen, der sollte auch diese Chance nutzen und Mambo Kurt einmal live erleben.
Rebecca Berg
Frankfurt am Main, 08.11.2014