Kriwaczek, Rohan: Eine unvollständige Geschichte der Begräbnisvioline. Aus dem Engl. von Isabell Lorenz. – Frankfurt am Main: Eichborn, 2008. – 312 S.: Ill., Notenbsp. (Originalausg.: An Incomplete History of The Art of Funerary Violin)
ISBN 978-3-8218-4591-3 : € 34,00 (geb.)
Liebhaber von Verschwörungstheorien könnten hier eine Idee für ihre Trauerfeier bekommen. Sehr überzeugend dürfte diese Geschichte aber nicht einmal für solche Klientel sein.
Daß Herr Kriwaczek Geiger ist, wird unbestreitbar sein. Mit der Einleitung, daß er zudem Vorsitzender der Gilde der Trauerviolinisten ist, fängt die Angeblichkeit der Geschichte aber schon an. Als solcher will er das Ergebnis seiner Erforschung einer Tradition von Sologeigern bei Trauerfeiern vorstellen. Und genauso zieht er sich hier schon hinter Geheimhalterei wegen Verfolgung dieser Gilde aus der Beweisführung zurück. Auch auf abgedruckten Bildern und Dokumenten sind die „Beweise“ retouchiert worden, so daß nichts mehr zu erkennen ist. Die Gilde wurde im elisabethanischen England von einem George Babcotte gegründet ,und ihre Geschichte wird anhand ihrer hervorragenden Virtuosen bis in moderne Zeiten erzählt. Sie waren allesamt natürlich Meister und Märtyrer ihrer Kunst und litten unter Verfolgung und Mißhandlung vor allem während der immer wieder erwähnten „Trauersäuberungsaktionen“ des Vatikans, die diese Tradition auslöschen sollten. Vorhersehbarer Weise war auch Mozart ein Trauerviolinist und Paganini ein Verschwörer im Auftrag des Vatikans. Kriwaczek läßt sogar ein Dementi des Vatikans auf seine Forschung hin abdrucken, das ihn als freundlichen Spinner darstellt. Da geht die Fiktion schon in eine neue Spiralendrehung. Die im Buch erwähnten unbekannteren Namen sind bei grober Internetrecherche jedenfalls nur in Bezug auf dieses Buch zu finden. Wie auch immer; es macht hier nicht einmal Spaß, einer gut erfundenen und phantasievoll ausgemalten Musikwissenschaftspersiflage à la P.D.Q. Bach zu folgen. Ein paar philosophische Abschweifungen über Trauerkultur und Musik im Allgemeinen sind ganz nachdenkenswert, aber der Rest ist eine ziemliche Räuberpistole. Das Interesse beim Lesen läßt schnell nach. Vielleicht bieten die zu dieser Musiksparte käuflichen CDs etwas mehr Unterhaltung, wie die Notenbeispiele im Anhang (woher auch immer sie stammen) für den praktizierenden Musiker schon andeuten. Ob Herr Kriwaczek damit das Monopol einer wiederbelebten – oder neu geschaffenen – Nische der Musikwelt erlangt, ist zu bezweifeln.
Sebastian Kaindl
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 369