Jacques Offenbach und seine Zeit / Hrsg. v. Elisabeth Schmierer

Jacques Offenbach und seine Zeit / Hrsg. von Elisabeth Schmierer. – Laaber: Laaber 2009. – 310 S.: Notenbsp., Abb. (Große Komponisten und ihre Zeit)
ISBN 978-3-89007-251-7 : € 37,80 (geb.)

Eine in ihrer Art unvergleichliche Paradoxie bestimmt seit gut hundert Jahren die Rezeption des französisierten Kölners Jacques Offenbach (1819–1880): Für das breite Publikum charmanter Ahnherr der Operette und Schöpfer des berühmtesten aller Cancans, liefert er einer kulturkritischen Elite Munition für intellektuell ambitionierte Elogen auf einen der raffiniertesten Gesellschaftssatiriker katexochen. Mit einem wohlverdienten Ritterschlag, der Aufnahme des Mozart vom Champs-Élysées in die Renommierreihe Große Komponisten und ihre Zeit, folgt Laaber einmal mehr dem Prinzip, das authentische Profil eines Epochalmusikers aus dem System seiner soziologischen, politischen und kompositions- wie institutionsgeschichtlichen Koordinaten zu generieren. Hierzu ließ man unter der Ägide von Elisabeth Schmierer eine tieferes Interesse weckende Palette diverser Offenbach-Fallstudien aus der Zeit zwischen 1985 und 2008 zusammentragen.
Gemäß der Seriendramaturgie umrahmen Chronik, Bildteil und die hier bewusst selektiv angelegten Verzeichnisse zu Quellen, Werk und Literatur drei Großkapitel, deren Innenleben gleichwohl nirgends die Intention der kontextuellen Ganzheitlichkeit aus den Augen verliert. Unter „Theatertraditionen, Gattungen und Spielstätten“ integriert Matthias Broszka das OEuvre des Porträtierten in die damaligen Pariser Operngattungen, bevor Peter Hawig seinen Eigenbetrieb „Bouffes-Parisiens“ als Ort der Selbstfindung und „Knotenpunkt nicht nur des französischen Musiktheaters“ skizziert. Die für die Entwicklung der Operette immens einflussreiche Etablierung Offenbachs in Wien zeichnet Walter Obermaier nach. Und während Ralf-Olivier Schwarz und Jean-Claude Yon Offenbachs Kontakte zu weiteren Pariser Bühnen konkretisieren, wertet Hermann Hofer die Offenbachiade als „einzige Kunstform, die ihr Entstehen und ihren Erfolg unmittelbar dem durch das Second Empire verkörperten politischen und militärischen Geist verdankt und die gegen dessen politischen Dinosauriercharakter steht“ (S. 97). Mit Dahlhaus’ subtiler Analyse attestiert Sektion II (Werke) „Offenbachs Kunst der musikalischen Pointe“ den Wert hochrangiger, weil ästhetisch mehrschichtiger Popularmusik, bevor Hawig und Robert Pourvoyeur die Fassungs- und Deutungsproblematik der Contes d’Hoffmann, Hans-Jörg Neuschäfer die Funktionalität der Mythenparodie in Belle Hélène, Ralph-Günther Patocka das Politikum Ba-Ta-Clan, Schwarz die Musikdramaturgie der Vie parisienne, Michael Klügl die Hintergründe zweier Orphée-Versionen und Albert Gier die Ambivalenz von Parodie und Idylle am Beispiel La Périchole fokussieren.
“Rezeption“ (Teil III) beschränkt sich auf die Offenbach-Vorlesungen Karl Kraus’ (Susanne Rode-Breymann) und Wandlungen des Offenbach-Bilds in der zeitgenössischen Wiener Presse (Marion Linhardt).

Andreas Vollberg
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 361f.

 

 

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