Hilmes, Oliver: Cosimas Kinder. Triumph und Tragödie der Wagner-Dynastie. – München: Siedler, 2009. – 320 S.
ISBN 978-3-88680-899-1 : € 22,95 (kart.)
Blandine, Daniela, Isolde, Eva und Siegfried. Das sind die Namen der Kinder von Cosima Wagner (1837–1930), deren Väter Hans von Bülow und Richard Wagner waren. Nachdem Oliver Hilmes, seines Zeichens Historiker mit dem Schwerpunkt Musikgeschichte, bereits vor zwei Jahren mit seiner Biographie über Cosima, Herrin des Hügels [Rez. s. FM 29 (2008), 62f.], einen großen Erfolg für sich verbuchen konnte, hat er sich in seinem neuesten Buch wiederum dem Bayreuther Herrschergeschlecht zugewandt. Nach Wagners zweiter Ehefrau sind es nun deren fünf Sprösslinge, die Hilmes einer eingehenden Würdigung unterzieht. Das Ergebnis ist sehr beachtlich. In der Tat dürften die Lebenswege der zwei von Bülow- und der drei Wagnerkinder noch nie auf derart kompakte und ausführliche Art beschrieben worden sein. Das ist indes nicht weiter verwunderlich, hat der Autor doch bei seinen Recherchen zahlreiche bisher noch unbekannte Quellen aufgetan, aus denen er fleißig zitiert. Seine hervorragenden Ausführungen lassen so manchen Sachverhalt, den man eigentlich gut zu kennen glaubte, in einem ganz neuen Licht erscheinen. Dabei ist Hilmes’ Arbeit auch ein gutes Stück Zeitgeschichte. Viele der dargestellten Aspekte wären ohne Kenntnis der historischen Zusammenhänge nicht sonderlich verständlich. So ist denn die Einbettung der Wahnfried-Kinder in ihre Zeit ein ganz wesentlicher Punkt von Hilmes’ Arbeit. „Triumph und Tragödie, Genie und Verfall, Kunst und Ideologie sowie Politik und eigennützige Geschäftigkeit“ (S. 8 ) werden einfühlsam beleuchtet. Daraus ergibt sich: „Cosimas Kinder waren zweifellos keine Heiligen, ja, sie sind uns möglicherweise nicht immer sympathisch“ (S. 9). Oft werden sie mit den Protagonisten der Fernsehserien Denver Clan und Dallas auf eine Stufe gestellt. Dabei muss man aber auch die schwere Hypothek berücksichtigen, die ihnen von ihrer Mutter aufgebürdet wurde, nämlich eine Wagner-Dynastie zu gründen. Ihr Leben war wahrlich nicht leicht. Auch „trugen sie schwer an der Last ihrer Herkunft“ (S. 9). Dadurch wird vieles zwar nicht entschuldigt, aber verständlich. Hilmes verdammt seine Titelgestalten nicht, sieht aber auch davon ab, sie zu vergöttern. Er stellt sachlich dar und überlässt das Urteil über den Wagner-Clan dem Leser. Insgesamt haben wir es hier mit einem ungemein spannenden, informativen und gut geschriebenen Band zu tun, dessen Anschaffung sehr zu empfehlen ist. Wird Hilmes’ nächster Band Cosimas Enkel heißen? Man kann schon gespannt sein.
Ludwig Steinbach
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 360f.