Tine Plesch – Rebel Girl. Popkultur und Feminismus / Hrsg. von Evi Herzing, Hans Plesch und Jonas Engelmann. – Mainz: Ventil, 2013. – 238 S.: 6 Abb.
ISBN 978-3-95575-002-2 : € 14.90 (kart.)
Eigentlich war sie Sprachwissenschaftlerin mit dem Fachgebiet Angloamerikanistik, der Krimi ihre Leidenschaft. Aber insbesondere die intellektuelle wie auch alltäglich bewusste Auseinandersetzung mit weiblichen Lebenswelten, zusammen mit der Liebe zur Musik, haben ihre Schriften geprägt, von denen der Popjournalismus gut noch ein paar mehr hätte gebrauchen können: Tine Plesch, die – ohne eine akademische Laufbahn letztlich weiterzuverfolgen – ihre Dissertation zum Thema The women in the attic verfasste, ist bereits im November 2004 ebenso früh überraschend verstorben. Der Reader Rebel Girl. Popkultur und Feminismus sammelt Texte der langjährigen testcard-Mitherausgeberin, die in verschiedenen Kontexten publiziert worden sind, sowie den bislang unveröffentlichten Vortrag Die Heldin als Verrückte in einem handlichen Taschenbuch. Neben Beiträgen aus dem weiten Themenpool der Popmusik (aber immer mit Fokus auf emanzipatorische Themen und dabei spürbar vom Gedankengut der Hamburger Schule geprägt) finden sich hier auch CD- und Buchrezensionen.
Nach einem kurzen Geleitwort von Michaela Melián, einem sehr persönlichen Nachruf ihres Bruders Hans Plesch und einer treffend mit Die Suche nach dem Rebellischen im Pop betitelten Einleitung kommt unmittelbar Tine Plesch zu Wort, indem sie sich mit Büste und Büstenhalter quasi posthum selbst vorstellt – wenn auch vorerst noch ohne unmittelbar Popmusikalisches zu thematisieren.
Die eigentliche Textsammlung ist in vier größere Abschnitte gegliedert, die gleichsam programmatisch mit Vorfahrtstrassen, Seitenstrassen, Ausfahrten und Querstrassen betitelt sind. Die Rubrik On the Road entspricht etwa dem, was herkömmlichere Publikationen als Anhang bezeichnen würden: Hier finden sich der Index und ein Verweis auf die ursprünglichen Quellen, aber auch der aus dem Leben gegriffene, teils humoristisch anmutende, teils nachdenklich stimmende Text Voll das 20. Jahrhundert. Tourtagebuch zur Lesereise mit der testcard #8: Gender (S. 218-232), durch den die Leserschaft des Readers nicht nur den Menschen Tine Plesch näher kennenlernt, sondern auch sehr unmittelbar mit ihrer persönlichen beruflichen Erfahrungswelt konfrontiert wird.
Tine Pleschs Schriften über Popkultur sind – dem jeweiligen Medium adäquat, für das sie schrieb – eher im lockeren Plauderton essayistisch-journalistischer Prägung verfasst. Evi Herzing hebt die so ermöglichte große Zugänglichkeit der Texte hervor (vgl. S. 15) und verweist explizit auf die Intentionen der vorliegenden Sammlung: „Ich denke, das Wichtigste, was dieser Reader in Tines Sinne leisten könnte, wäre nicht, ein Werk zu sein, das sie auf ein Podest stellt, sondern ein Buch zu sein, das den Leserinnen und Lesern lose Enden zuwirft, die dazu anstiften, selbst aktiv zu werden [...]“ (S. 16)
– Und dieser Anspruch, das darf man ruhig sagen, wird erfüllt. Egal, ob Tine Plesch zu den Themen Women in Rock Music: Times, They are A-Changing? (S. 31-43), „He hit me and it felt like a kiss“. Populärmusik, Geschlechterrollen und Gewalt (S. 145-169), Gender Trouble – Billy Tipton & ihr Leben als Mann. International Sweethearts of Rhythm (S. 162-172) oder Popmusikerinnen und Ladyfeste. Versuch einer Positionsbestimmung (S. 183-192) schreibt: Das Interesse, das eigene Wissen um das soeben Gelesene zu erweitern, wird geweckt, ebenso wie der leider immer unerfüllt bleibende Wunsch, dass Tine Plesch sich eben doch nicht nur kurzen Aufsätzen gewidmet haben möge, sondern ihre oft sehr einsichtigen Gedanken auch in größeren Formen zu Papier gebracht hätte. Denn auch, wenn ihr Stil eher journalistisch bleibt, so ist doch gleichzeitig Pleschs wissenschaftliche Schulung präsent, die den Thesen und Beobachtungen ein meist stabiles Fundament verleiht.
Rebel Girl. Popkultur und Feminismus ist ein Reader, der Popkultur-Interessierten als Ergänzung der heimischen Bibliothek durchaus zu empfehlen ist. Selbst durch und durch Feministin, stellte Tine Plesch 2001 fest: „Diffamiert als anachronistischer Kampfbegriff humorloser, zwanghaft ungeschminkter, möglichst lesbischer Frauen in lila Latzhosen verschwand der Feminismus in der Versenkung entnervender Diskussionen. [...] Vom Feminismus übrig blieb in den Augen der Allgemeinheit ein politisch verbrämter Rigorosismus, der einer Zensur sehr nahe ist und mehr an Erziehungsmethoden gestrenger Eltern in den 1950er Jahren erinnert.“ (S. 34f) Trotzdem, ihren Idealismus hat Plesch nicht verloren. Auch, wenn man selbst gelegentlich zu etwas gemäßigteren Positionen neigt: Gerade jetzt, aus der Distanz beinahe eines Jahrzehnts, lohnt sich die Auseinandersetzung mit den Beobachtungen dieser reflektierten Insiderin vom Beginn des neuen Jahrtausends, um Pleschs popmusikrelevante Überlegungen für die Gegenwart weiterzudenken.
Michaela Krucsay
Leoben, 18.11.2013