Salmen, Walter: Zu Tisch bei Johann Sebastian Bach. Einnahmen und „Consumtionen“ einer Musikerfamilie. – Hildesheim: Olms, 2009. – 138 S.: zahlr. s/w-Abb.
ISBN 978-3-487-08488-6 : € 22,00 (geb.)
Nahrungsaufnahme korrespondiert mit Musik, deshalb werden viele Musiker mit Essen oder Trinken in Zusammenhang gebracht. Ob nun historisch belegbar oder nicht – Tournedos Rossini, Mozart-Kugeln oder Bach-Pfeiffen rekurrieren alle in irgendeiner Form auf die Beziehung zwischen Musik und Kulinarik und bedienen neben dem Gaumen auch die Fantasie. Wie Bach als Vertreter des üppigen Barockzeitalters den Zusammenhang von Musizieren, Essen und Trinken erlebt hat, hat nun Walter Salmen in einer ebenso fundierten wie vergnüglich zu lesenden Studie dargelegt. Es gibt keine Rezeptsammlungen aus dem Hause Bach, auch in Briefen äußerte er sich nur spärlich zu Alltag und Privatleben, aber Salmen konnte „Einnahmen und Consumtionen“ auf andere Weise erforschen und belegen. Im ersten Teil des Buches beschäftigt sich der Autor mit der sog. „Naturalverpflegung“ von Musikern im 17. und 18. Jahrhundert, die neben einem fixen Salär für verrichtete Dienste in einer Art Tarifordnung den Bezug von „Accidentien“ regelte. Die Zuteilung orientierte sich an der Funktion der Musiker, war nach Rang gestaffelt und konnte aus Lebensmitteln, einem Freitisch, Kleidung oder Heizmaterial bestehen. Daß ein sog. „Bierfiedler“ dabei schlechter wegkam als ein Hofmusiker oder Kantor, erzeugte soziale Schieflagen, die auch Bach als Aufsteiger am eigenen Leib erlebte. Im zweiten Teil setzt sich der Autor speziell mit Bachs Leipziger Situation auseinander. Als arrivierter Thomaskantor und Director musices der renommierten Messestadt bezog er neben seiner Besoldung und Einnahmen aus Nebentätigkeiten Brot, Grütze, Graupen, Bier, Wein, Salz, Fleisch und Fisch. Das damals enorm verbreitete „Leipziger Koch-Buch“ (Susanna Eger, 1745) verschafft eine gute Vorstellung davon, was zu Bachs Zeit in Sachsen verzehrt wurde. In über 900 Rezepten erfährt man Grundlegendes über verwendete Nahrungsmittel, Zubereitung und Mahlzeiten vom Frühmahl bis hin zum Festtagstisch. Man bevorzugte Gesottenes und Gebratenes, Mehlspeisen, deftige Suppen und Eintöpfe aus Kartoffeln oder Kohl. Anlässe zu gutem Essen im Hause Bach gab es häufig: Kindstaufen, Hochzeiten, Geburts- und Namenstage wurden ebenso gefeiert wie die Feste des Kirchenjahres. Die in Bachs Nachlaßverzeichnis von 1750 aufgelisteten Schüsseln, Teller, Bestecke, Saucieren und Pokale ließen jedenfalls die Ausrichtung einer Festtafel zu. Als Kaffeekonsument verfügte Bach über entsprechende Gerätschaften wie verschieden große Kannen, Zuckerschalen oder Meßlöffel. Von den sog. „Orgelmahlzeiten“, die sich an die Abnahme einer von Bach geprüften Orgel anschlossen, sind Speisenfolgen erhalten und man darf annehmen, daß er es sich schmecken ließ. Auch Quittungen des Zimmermannschen Kaffeehauses weisen Bach als Genießer aus. Sehr lesenswert und ein schönes Geschenk obendrein.
Claudia Niebel
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 352f.