Britten’s Century. The Centenary of Benjamin Britten’s Birth / Ed. by Mark Bostridge. – London: Bloomsbury Specialist, 2013. – 224 S.
ISBN 1-4411-7790-6 : £ 16,99 (geb.)
Der hundertste Geburtstag Benjamin Brittens hat überraschend wenige wirklich neue Erkenntnisse zu dem angeblich wichtigsten (de facto aber vor allem bestvermarkteten) britischen Komponisten des 20. Jahrhunderts zu Tage gefördert. Die Biografien, die im Laufe des Jahres vorgelegt wurden, bleiben ebenso schwach wie die meisten Aufsätze in Anthologien. Es scheint, als hätten die meisten Autoren entweder Angst davor, sich intensiv mit den Originalquellen und damit der „ganzen“ Persönlichkeit Britten auseinanderzusetzen, oder als wollten sie im Jubiläumshype auf der Erfolgswoge nur mitschwimmen. Der hier vorliegenden Band bietet unzweifelhaft renommiertere Autorennamen, dennoch bleibt auch er von der Substanz her eher schwach.
In neunzehn Beiträgen von entsprechender Kürze, ein Viertel von ihnen schon vor Jahren andernorts veröffentlicht und immer noch leicht zugänglich, werden Aspekte von Persönlichkeit und Werk behandelt; von besonderer Präsenz sind Beiträge solcher Künstler, die mit Britten zusammengearbeitet haben oder heute wichtige Interpreten seiner Musik sind – Janet Baker, Colin Matthews und eine Mitwirkende in der Uraufführung von Noye’s Fludde finden sich ebenso wie Ian Bostridge [der Bruder des Herausgebers], Stephen Hough und Roger Vignoles. Ein anderer Schwerpunkt liegt in der Brittenrezeption durch zeitgenössische Literaten, unter anderem Alan Bennett und Blake Morrison.
Insgesamt aber bleibt der Band ein unentschiedener Kramladen, der (eine Reihe Druckfehler sowie die mangelhafte Behandlung der Endnoten erweisen dies) mit zu wenig Sorgfalt zum Druck vorbereitet wurde. Insgesamt versucht er wohl eine allgemeine Würdigung, die Anekdotisches und Analytisches vereint, ist hierin aber nicht ganz erfolgreich (Hans Kellers Text zum dritten Streichquartett ist vom Duktus her etwas zu schwer für die ihn umgebenden Beiträge), zumal er auch problematischere Bereiche (Brittens Pazifismus und seine Neigung zu Halbwüchsigen) weitgehend ausspart. Vor allem aber gelingt keineswegs ein Blick auf „Britten’s Century“ – Exponenten der ersten Hälfte dieses „Century“ fehlen komplett, nicht nur weil sie heute vielleicht nicht mehr leben, sondern vor allem auch weil sie einen erhöhten Arbeitsaufwand des Herausgebers erfordert hätten. So scheint die Auswahl im Endergebnis allzu beliebig, wird der Band zu einer Gelegenheitspublikation übelster Sorte. Gerade im Jubiläumsjahr hätte Britten (etwa durch Sammlung wichtiger an abseitiger Stelle veröffentlichter, vielleicht erstmals auf Englisch publizierter Beiträge) etwas Besseres verdient – einen neuen Britten Companion.
Jürgen Schaarwächter
Karlsruhe, 30.08.2013