Arnim, Jan Jiracek von: Franz Liszt. Visionär und Virtuose. Eine Biografie – Salzburg: Residenz-Verlag, 2011. – 229 S.: Notenbsp.
ISBN 978-3-7017-3234-0 : € 21,90 (geb.)
Die allgemeinen Bezugnahmen auf Komponisten sind – wie könnte es anders sein – oft von Klischees geprägt und Franz Liszt (1811-1886) bildet da keine Ausnahme. Zum 200. Geburtstag erfährt er nun eine angemessene Würdigung vor allem in biografischer Form. Eine der jüngsten Publikationen dieses Genres ist das im Residenz-Verlag erschienene Porträt Liszts durch den Wiener Pianisten und Klavierprofessor Jan Jiracek von Arnim. Noch eine Biographie möchte man fragen, und das nach so erkenntnisreichen Publikationen wie der von Klára Hamburger (Franz Liszt, Böhlau 2011) oder Serge Gut (Franz Liszt, Studio-Verlag 2011)! Der Autor erläutert im Vorwort seine Beweggründe, die er in seinem spezifischen Ansatz als Interpret Lisztscher Klavierwerke verortet. Dazu später mehr. Er behandelt sein Sujet in klassisch chronologischer Weise, indem er Liszts Leben in vier Phasen einteilt, angelehnt an seine Lebensabschnitte als Heranwachsender in der Habsburger Monarchie, auf dem Weg zum Künstler in Paris, als reisender Virtuose und schlussendlich als Dirigent, Lehrer und Komponist in Weimar und Rom. Darin folgt er Hamburger, die einen ähnlichen Ansatz verfolgt und auf die er sich – nicht nur in der Bibliographie – bezieht. Neueste Forschungsergebnisse sind eingeflossen, dabei ist ein umfassendes, kritisches und differenziertes Bild des Menschen und Künstlers entstanden. Der Schwerpunkt liegt analog zum Untertitel auf der visionären Stellung Liszts als „Erfinder“ des Solo-Recitals, als Interpret, der durch seinen Stil, sein Ausloten der Klangfarben, das Ausnützen neuer Techniken im Flügelbau und seinen interpretatorischen Ausdruck weit über sich hinausweist, als begnadeter Pädagoge, der mit Leidenschaft und Verantwortungsbewusstsein ganze Generationen von Klavierschülern unterrichtete, als Dirigent, der sich selbstlos für Komponistenfreunde einsetzte (Berlioz, Wagner) und als zukunftsweisender Komponist von manchmal grenzüberschreitender Wirkung.
Worin besteht nun das spezifische Verdienst von Arnims? Sein Aussage, er nähere sich als Interpret, ist insofern irreführend, als man vergeblich tiefgehende Analysen zu Klavierwerken und deren Aufführung sucht. Es ist die Sicht des reisenden Interpreten, die ihm eine andere Perspektive gibt. Die große Stärke dieses Buches liegt aber in der Kunst der Verdichtung vorhandenen Wissens in eleganter, gut lesbarer Form, logisch und stringent aufgebaut, nie redundant und immer wieder durch Originalton belegt. Wenn man sich die Website des Autors vornimmt, wird sein Anliegen noch klarer: Als Pädagoge ist es ihm wichtig, junge Menschen durch entsprechende Edutainment-Angebote an klassische Musik heranzuführen, durch Musikvermittlung neue Hörerkreise und Konzertbesucher zu erschließen. Dabei biedert sich die Sprache nie an, und so hat auch jede andere Altersgruppe Freude an der Lektüre. Das Layout ist sehr augenfreundlich, allerdings hätten wenigstens ein paar Abbildungen nicht geschadet.
Stuttgart, 24.06.2011 Claudia Niebel