Henze-Döhring, Sabine: Verdis Opern. Ein musikalischer Werkführer. – München: C. H. Beck, 2013. – 128 S. (C. H. Beck Wissen)
ISBN 978-3-406-64606-5 : € 8,95 (kt.; auch als E-book erhältl.)
Sein 200. Geburtstag dieses Jahr geht etwas unter im Vergleich zu den Feierlichkeiten, Festivals, Neuerscheinungen und -einspielungen des anderen Jubilars des Jahres, Richard Wagner. Natürlich mag man einwenden, das liege daran, dass uns der Deutsche näher stünde als der Italiener, aber die Zeitgenossen Verdis, die in Berlin, Baden-Baden und anderswo seine Werke frenetisch feierten – diese sogenannten “Italinanissimi“ versäumten kaum eine Aufführung und zahlten jeden Eintrittspreis – dürften das anders gesehen haben. Zu Recht, und die Autorin des Buches bringt es auch auf den Punkt. Der „Stieger“ (Franz Stieger, Opernlexikon. – 6 Bände, Tutzing, 1983) führt 26 Opern Verdis auf, Bearbeitungen und Neufassungen nicht eingerechnet, und es war nicht ausschließlich eine Marketingstrategie des Ricordi-Verlages, seinen Star als „Volkstribun der Oper“ (H.-D.) zu inszenieren. Leben und Werk des „Bauern aus Roncole“ – auch so ein Etikett, das ihm andere anhefteten und das Verdi pflegte – sind interessant genug und halten dem Vergleich mit seinem deutschen Konkurrenten durchaus stand. Immerhin formulierte Gottfried Wagner, Urenkel Richard Wagners, in einem Interview der Stuttgarter Zeitung vom 29.05.2013, dass sein Wagner Verdi sei. Verdi schätzte Wagner übrigens sehr, was – so weiß man – umgekehrt so gar nicht der Fall war.
Sabine Henze-Döhring, Professorin für Musikwissenschaft an der Marburger Universität und Spezialistin in Sachen Oper vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, hat sich in ihrem Werkführer auf die erfolgreichsten dreizehn Opern Verdis beschränkt, die sie, dem Programm der Verlagsreihe gemäß, entsprechend informativ und konzise behandelt. Sie geht auf die Entstehungsgeschichte der Oper ein, lotet deren Verortung im Gesamtschaffen des Komponisten aus und beschreibt kompositorische und musikalische Besonderheiten. Die einzelnen Opern sind zu Gruppen zusammengefasst, entlang derer man die verschiedenen Schaffensperioden Verdis nachvollziehen kann, was den Leser in die Lage versetzt, die Entwicklung des Komponisten nachzuvollziehen, nicht zuletzt auch durch deren Einbettung in persönliche und biographische Bedingungen. Verdi stand Wagner was das Reisen anbelangt in keiner Weise nach, er eilte europaweit von einer Aufführung seiner Werke zur anderen und besuchte Theaterstücke, immer auf der Suche nach neuem Stoff für ein Libretto. Er genoss den Luxus, den er sich als etablierter Künstler und Großgrundbesitzer leisten konnte und war doch stets darauf bedacht, dass der sorgsam konstruierte Mythos vom armen Bauern-Komponisten, der dem Schicksal seine künstlerischen Einfälle abringt, erhalten blieb. Von der Vereinnahmung Verdis durch die Regierung als Protagonist des Risorgimento, der Schaffung des italienischen Nationalstaates, profitierten beide, Staat und Komponist. Solche Informationen im Zusammenhang mit den einzelnen Opern aufbereitet zu bekommen machen die Lektüre ebenso spannend wie erhellend, nicht nur vor dem allfälligen Opernbesuch, sondern auch als „tour d’horizon“ durch ein interessantes Künstlerleben.
Claudia Niebel
Stuttgart, 17.06.2013