Haberl, Dieter: Das Regensburgische Diarium (Intelligenzblatt) als musikhistorische Quelle. Erschließung und Kommentar der Jahrgänge 1760–1810. – Regensburg: vormals Manz, 2012. – 606 S.: 1 Abb. (Regensburger Studien ; 19)
ISBN 978-3-935052-99-3 : € 29,80 (geb.)
„Zur steinernen Bruck herein: [05.01.1787]. Per ord[inari] Postwagen von Nürnberg, um 10 Uhr, Morgens, … H[er]r Bertenhoven [gemeint: Ludwig van Beethoven], Organist von Bonn, log[iert] in [im Gasthaus zum] Spiegel“ (S. 17, 239). Dies nur eines von vielen (prominenten) Beispielen von Musikern, die auf ihrer Durchreise eines der Stadttore von Regensburg passiert und dort üblicherweise auch ein Absteigequartier angesteuert hatten: festgehalten und aufzufinden in einem in Regensburg erschienenen Periodikum, das wöchentlich über reichsstädtische (später: kurerzkanzlerische) und vereinzelt überregionale Ereignisse berichtete.
Erstmals in umfänglichem Ausmaß ausgewertet und nach musikrelevanten Spuren gefiltert bzw. geradezu abgegrast wurde dieses sog. Diarium – und zwar im vorliegenden Werk speziell der ein halbes Jahrhundert abdeckende Zeitraum vom Überlieferungsbeginn 1760 bis zu dem durch Napoleon bestimmten Ende der Regierungsära (1803–1810) des Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg – über ein in den Jahren 2006–2011 an der Universität Augsburg (!) angesiedeltes DFG-Projekt durch den Musikwissenschaftler Dr. Dieter Haberl.
Dass als Resultat dieser sorgfältig erschlossenen Aufbereitung der Primärquelle, nämlich der buchstabengetreuen Abschriften der aufgespürten Abschnitte (und dies in der chronologischen Abfolge der Zeitungsausgaben) mitsamt der an den Belegstellen beigefügten knapp 4.400 Einzelanmerkungen zur Bio- und weiterführenden Bibliographie, ein geradezu prosopographisches Who is who der in der Domstadt verkehrenden Musiker einer Umbruchsepoche aus ganz Europa, ja sogar teils aus Rußland (z.B. S. 311), und des Musikalltags insgesamt entstanden ist, ist äußerst begrüßenswert (ein annähernd vergleichbares Projekt ist bereits für Augsburg in Angriff genommen), da es einen reichen Fundus und daher viele Anregungen zu Anschlussstudien, „wo (bislang) Schloss und Riegel für“, und damit faktisch Potential auch zu korrigierender und ergänzender Musikforschung bietet.
Besonders wertvoll zur Verknüpfung der genannten Personen (zusätzlich enthalten sind auch Personensuchanzeigen, Nachrichten zu Taufen und Beerdigungen), Logie-Quartiere, des vielfältigen kirchlichen und weltlichen Konzertbetriebs (etwa am Hof von Thurn und Taxis), der Instrumente (Rubrik: zu verkaufen) oder Musikdrucke (Inserate von Buchhandlungen, z.B. bereits früh zu ersten Notenpublikationen W. A. Mozarts) untereinander ist daher das Register mit seinen etwa 9.000 Einträgen (S. 495-606).
Die nur scheinbar nüchterne Kolonne an stichpunktartigen, häufig aber in Sätze gebundenen Informationen füllt sich jedoch ziemlich schnell mit Leben, beginnt man nur bei einer x-beliebigen Stelle dieser zweispaltig angeordneten Zitaten-Schatzgrube zu lesen und beißt sich über die zahlreichen Querverweise fest.
In Anbetracht von W. A. Mozarts (1756–1791) erster großen Reise durch Westeuropa 1763–1766 bietet sich heuer sogar ein Gedenkjubiläum dazu an, um sich über andere reisende Musici und genauso über gewöhnliche Musikanten jener Zeit spezifisch zu informieren.
Der für eine Quellenedition sehr käuferfreundliche Preis („gebundene Bücher um billige Preiße zu haben“, S. 197) bietet beste Voraussetzungen dafür, dass das durch Umsetzung wie Redaktion überzeugende Buch eifrig angenommen wird.
Manfred Sailer
Regensburg, 27.01.2013