Richard Wagner: Briefe des Jahres 1864 / Hrsg. von Martin Dürrer. – Wiesbaden: Breitkopf & Härtel, 2006. – 750 S.: 8 Abb. (Sämtliche Briefe ; 16)
ISBN 3-7651-0416-7 : € 48,00
Die Wagner-Briefausgabe schreitet erfreulich schnell voran: Schon nach Jahresfrist ist ein neuer Band erschienen, und das lässt erwartungsvoll in die Zukunft blicken. Aber selbst wenn es bei diesen Veröffentlichungsintervallen bleibt, muss man sich in Geduld fassen: Auch unter solch günstigen Voraussetzungen wird es bis zum Abschluss des gewaltigen Unternehmens noch fast zwanzig Jahre dauern!
Die vorliegende Dokumentation mit 332 Briefen, von denen 92 hier zum ersten Mal veröffentlicht werden, widmet sich Wagners „Schicksalsjahr“ 1864, mithin einer Zeit, in der sich die dramatische Wende aus der hoffnungslos erscheinenden Schuldenfalle zur königlichen Protektion vollzog: Anfang Mai spürt ein Abgesandter des bayerischen Königs Ludwig II. den von Gläubigern gejagten und unter Selbstmordgedanken leidenden Komponisten in Stuttgart auf. Wagner wird nach München berufen, und plötzlich scheint sich ihm eine sorgenfreie Zukunft zu eröffnen. Vermutlich spiegeln sich in seinen ersten Berichten über das „Wunder von Stuttgart“ echte Empfindungen, wenn er beispielsweise erschüttert über Ludwig II. schreibt: „Er ist leider so schön und geistvoll, seelenvoll und herrlich, dass ich fürchte, sein Leben müsse wie ein flüchtiger Göttertraum in dieser gemeinen Welt zerrinnen. Er liebt mich mit der Innigkeit u. Gluth der ersten Liebe; er kennt und weiss Alles von mir, und versteht mich wie meine Seele“ (am 4. Mai 1864 an Elisa Wille). Doch die Beziehung zwischen dem menschlich schwierigen Musikdramatiker und seinem königlichen Bewunderer blieb nicht lange ungetrübt – das erwartete Paradies auf Erden sollte sich bald verflüchtigen.
Die 1999 vollzogene Neukonzeption der Reihe hat sich bewährt und wird fortgesetzt: Neben dem umfangreichen Kommentarteil zu den Briefen enthält der Band wieder mehrere separate Kapitel (sogenannte „Themenkommentare“), in denen einzelne Aspekte des betreffenden Zeitabschnitts vertieft werden. Dieses Mal handelt es sich um Studien zum unerschöpflichen Thema „Wagner und die Frauen“ (hier zu Mathilde Maier und Cosima von Bülow) und zur „Wagner-Rezeption des Kronprinzen Ludwig“. Über die gleichfalls unendliche Geschichte „Wagner und das Geld“ informieren die Kapitel über seine „Wiener Schulden“ und sein problematisches Verhältnis zur „Königlichen Kabinettskasse“.
Der Band ist wieder opulent mit Registern ausgestattet, die für Recherchen aller Art keinen Wunsch offen lassen; nicht nur nach Personen und Werken kann man gezielt suchen, sondern auch nach Institutionen, Zeitungen und sogar nach Tieren, die in Wagners Leben immer eine Rolle gespielt haben. Eine hilfreiche Ergänzung ist die erneut beigefügte „Übersicht der Währungen“.
Georg Günther
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S. 386f.