Hundert Jahre Deutsche Oper Berlin. Geschichte und Geschichten aus der Bismarckstraße / Hrsg. von Jörg Königsdorf und Curt A. Roesler – Berlin: Edition Braus, 2012.- 288 S.: Abb.
ISBN 978-3-86228-036-0 : € 29,95 (geb.)
Die Deutsche Oper Berlin kann auf eine vergleichsweise kurze, dafür umso bewegtere Geschichte zurückblicken. Als „Deutsches Opernhaus“ 1912 für das wohlhabende Bürgertum der damals noch selbständigen Stadt Charlottenburg gegründet, stand es natürlich stets im Schatten und in Konkurrenz zur Hof- später Staatsoper Unter den Linden. Um einzelne Künstler wurde von den jeweiligen Intendanten regelrecht gekämpft, mit Sicherheit wirkte der künstlerische Wettstreit auf beide Bühnen stimulierend. Bereits in den 20er Jahren geriet das Charlottenburger Haus aber in finanzielle Schieflage. 1925 wurde es als Städtische Oper von dem inzwischen entstandenen Groß-Berlin übernommen.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Haus von jüdischen Künstlern und Angestellten „gesäubert“, Intendant wurde der Sänger Wilhelm Rode, ein früher Parteigänger der Nazis. Rückbenannt in „Deutsches Opernhaus“ pflegte man an der Bismarckstraße bevorzugt das deutsche Repertoire. Der wuchtige Bau brannte im November 1943 nach einem Bombentreffer nieder, Ausweichquartier wurde bis 1945 der Admiralspalast, nach dem Krieg das „Theater des Westens“. Ein 1961 fertig gestellter Neubau dient seither der „Deutschen Oper Berlin“ als Heimstatt. Nach dem Mauerbau fiel dem Charlottenburger Haus unvermittelt die Aufgabe des repräsentativen Operntheaters zu, hohe Subventionen ermöglichten glanzvolle Besetzungen. Im wieder vereinigten Berlin kämpft die Deutsche Oper bis heute um eine eindeutige Positionierung im Ranking der insgesamt drei Opernhäuser der Stadt. Personelle Fehlbesetzungen der Intendanz und des Generalmusikdirektors stürzten das Haus zwischenzeitlich in nicht unerhebliche Krisen.
Zum hundertsten Geburtstag gönnt sich das Haus nun einen repräsentativen Prachtband, mit über drei Pfund ein gewichtiges Werk, leider im unpraktischen Querformat. Bedauerlicherweise hatte man den Ehrgeiz, gleich zwei unterschiedliche Bücher auf einmal zu machen, das konnte nicht gut gehen. Den ersten Teil nehmen, nebst einem verzichtbaren Grußwort des allgegenwärtigen regierenden Bürgermeisters, Interviews mit zahlreichen, dem Haus in verschiedenster Weise dienenden oder verpflichteten Persönlichkeiten ein. Vom Intendanten bis zum dienstältesten Logenschließer bleibt kaum einer ungefragt, wobei die Fähigkeit zur Reflexion bei Letzterem erheblich weiter entwickelt scheint als bei seinem obersten Vorgesetzten. Aus nahe liegenden Gründen fehlen Beiträge der dem Haus gegenüber kritischer eingestellten Künstler, wie z.B. der früheren Intendanten.
Das ist alles durchaus lesenswert und mit einer Fülle bunter Bilder garniert, vergeudet dadurch aber viel von dem für den zweiten Teil, die eigentliche Chronik, erforderlichen Raum. Diesen Teil hätte man sich etwas opulenter gewünscht, viele der interessanten Abbildungen haben fast Briefmarken-Format. Die Chronologie der künstlerischen Geschichte des Hauses enthält zwar eine Fülle von Daten und Namen, kann aber keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben und wird damit auch ein wenig zum Ärgernis. Man muss einen schier endlosen Fließtext bewältigen, der weder durch ein Personen- und Werkregister erschlossen ist noch einen Überblick über die einzelnen Spielzeiten bietet. Die Chance, das wirklich ultimative Buch über dieses Haus vorzulegen, wurde leider etwas leichtfertig verschenkt. Schade!
Peter Sommeregger
Berlin, 20.11.2012