John Axelrod: Wie großartige Musik entsteht … oder auch nicht. Ansichten eines Dirigenten [Claudia Thieße]

Axelrod, John: Wie großartige Musik entsteht … oder auch nicht. Ansichten eines Dirigenten / Aus dem Amerik. übersetzt von Sabine Bayerl. – Leipzig u. Kassel: Henschel u. Bärenreiter, 2012. – 159 S.: 22 s/w-Abb.
ISBN 978-389487-917-4 : € 19,95

„Ansichten eines Dirigenten“, nämlich seine eigenen, möchte John Axelrod in Wie großartige Musik entsteht … oder auch nicht dem Leser näherbringen; konkret verspricht er Anekdoten und lustige Geschichten rund um die Institution (Symphonie-) Orchester und – so viel sei vorweggenommen – liefert sie auch. 
Sein Buch gliedert er in zwei Teile mit insgesamt neun Kapiteln, wobei er diesen keine inhaltliche Ordnung unterlegt; vielmehr folgt Axelrod einer intuitiven Gedankenentwicklung: Er arbeitet wie in einem “Stream of consciousness” und umkreist so sein Grundthema, eine Art musikalischer Kulturanthropologie. Variationen gleich behandelt er dieses Sujet und befasst sich mit der Wechselwirkung zwischen Orchester und Kulturraum unter verschiedenen Gesichtspunkten. So geht er z. B. auf das Verhältnis von Dirigent und Orchester ein und erklärt anhand konkreter Beispiele, warum einige Dirigenten mit bestimmten Musikern besonders gut zusammen arbeiten und andere wiederum nicht. Passend dazu schließt sich ein Überblick über die Entwicklung des Berufs und die heutigen Aufgaben eines Dirigenten an. Aber auch der anderen Seite widmet sich Axelrod, beschreibt die Eigenarten verschiedener Orchester und ihren Berufsalltag. Außerdem beschäftigen ihn die Beziehungen zwischen Publikum und Orchester, vornehmlich finanzielle Abhängigkeiten und Zuschauerbindung.
Zwar stecken in Axelrods Weisheiten viele Vorurteile, doch vermeidet er ein Abgleiten in reine Klischees, indem er seine Thesen mit zahlreichen Fakten belegt. Zu diesen liefert er in Fußnoten stets Quellenangaben, sodass der Leser eine sauber recherchierte Arbeit in den Händen hält, die dem Ruf der Verlage Henschel und Bärenreiter gerecht wird. Darüber hinaus behält der Text so auch in den letzten Kapiteln seriösen Charakter, obwohl sich Axelrod hier − ganz philosophisch − auf die Frage nach dem Absoluten in der Musik begibt.
Insgesamt schafft Axelrod dank knapper Kapitel und Plauderton eine kurzweilige Lektüre. Zwar erklärt er einige grundlegende musikalische Termini und wendet sich auf diese Weise explizit an Musiklaien; zugleich sprechen seine Ideen und die (sehr aktuellen) Zahlen und Fakten auch Sachkundige an: Axelrod möchte einem möglichst breiten Publikum die Auswirkungen unterschiedlicher kultureller Einflüsse auf die professionelle Musikpraxis zeigen. Diese verdeutlicht er durch zehn Musikbeispiele, von denen er unterschiedliche Interpretationen vorstellt, die auf YouTube zu finden sind. Dass er hier neben den international geläufigen YouTube-Links für das GEMA-eingeschränkte deutsche Portal mehrfach noch Alternativlinks nennt, beweist eine gründliche Vorbereitung. Wie großartige Musik entsteht … oder auch nicht ist für den Dirigenten John Axelrod offensichtlich nicht nur eine Maßnahme zum Gelderwerb, sondern entspringt einem ernst gemeinten Anliegen.

Claudia Thieße
Frankfurt/Main, 10.10.2012

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