Trautwein, Wolfgang: Werner Richard Heymann. Berlin, Hollywood und kein Zurück – Berlin: Hentrich & Hentrich, 2011. – 79 S.: Abb. (Jüdische Miniaturen ; 113)
ISBN 978-3-942271-37-0 : € 8,90 (kt.)
Als die Kapellen der Rotarmisten am Berliner Bahnhof Zoo im Mai 1945 das Lied Das gibt’s nur einmal, das kommt nicht wieder spielten, sollte das heißen: Ihr seid jetzt frei, ihr dürft das verbotene Lied jetzt wieder hören! Auch bei den Siegesparaden in New York und Paris, wo man dieses deutsche Lied gut kannte und liebte, wurden Melodien von Werner Richard Heymann (1896–1961) gespielt. Wenn man es mal soweit gebracht hat, hat man als Musiker wahrhaft etwas Völkerverbindendes erreicht. Was nicht heißt, dass Heymann sich im Ausland, besonders in Hollywood, besonders heimisch gefühlt hätte. Seine Wurzeln lagen im alten Europa.
Heymann selber kam dann erst 1951 wieder zurück nach Deutschland, aus dem er am 9.4.1933, nach der „Arisierung“ der UFA, zu einer „Reise“ aufgebrochen war, die ihn für die nächsten 18 Jahre nach Paris, London und Hollywood führte. Heimatliche Gefühle befielen ihn in München, wo er dann wohnte, nicht gerade. Wenige alte (überlebt habende) Freunde und wenige gute neue Schauspieler(innen) gab’s damals, mit denen man hätte arbeiten können und wollen. Heymanns Name war durch das Verbot der Nazis in Deutschland unbekannt geworden, aber die Deutschen hatten schon viel von ihm gehört, an das sie sich erinnern konnten und letztlich wohl auch wollten. Nach 12 Jahren eindimensionalem deutschem Humor kehrte der Witz in die Unterhaltungsmusik zurück und man merkte, was man an den alten Schlagern und Kabarettliedern der Weimarer Zeit gehabt hatte: schwebende Doppelbödigkeit, Charme und eine Sorte Glücksversprechen, die man nicht so tierisch ernst zu nehmen brauchte.
Denn Heymann war bis 1933 einer der besten unter den Komponisten der Stumm- und Tonfilmzeit gewesen, hatte ganze Filmoperetten durchkomponiert, und die Lieder aus den berühmtesten (Liebeswalzer, Die Drei von der Tankstelle und Der blonde Traum) kannte buchstäblich jedes Kind. Es waren vertraute Lieder über Liebe und Freundschaft, die soziale Resonanz bekamen und manchem zum Trost gereichten. Seine Melodien, auch wenn sie fast immer von einem großen Orchesteraufgebot eingehüllt waren, zündeten und sie fielen den Leuten ein, wenn mal eine kitzlige Alltagssituation zu bewältigen war.
Das alles erzählt Wolfgang Trautwein, der Schwiegersohn des Komponisten, in diesem flott, aber nicht ohne aufklärerische Hintergedanken geschriebenen Büchlein, das zur ersten Information über Heymann und für seine Wiederentdeckung gedacht ist. Trautwein weiß die vielen Ereignisse, Namen und Dinge, die Liedtitel und -texte auch knapp und bündig zu interpretieren. Vor allem weiß er das Schlüsselgeheimnis für Heymanns große Wirkung zu lüften. Denn Heymann stand nicht etwa schon von Kindesbeinen an mit der leichten Muse auf Du und Du, sondern kam von der so genannten ernsten Tonkunst her, war humanistisch gebildet, hatte aber nach aufwändig-sinfonischen Orchesterstücken ein Erweckungserlebnis durch das Hören von Emmerich Kàlmàns Czardasfürstin und machte daraufhin das großformatige Komponieren für Filmoperetten zu seinem Metier. Neben seiner Begeisterung für Kontrapunkt und neue Lyrik hatte es ihm schon früh (d.h. schon vor dem Ersten Weltkrieg) die alles dürfende Satire angetan und so kam er von der Kurz- (nicht Klein-)Kunst zur großen Bühne und ins Filmstudio. Trautweins Miniatur macht das alles schön plausibel.
Peter Sühring
Berlin, 25.04.2012