Demmler, Martin: Robert Schumann. „Ich hab’ im Traum geweinet“. Eine Biografie. – Leipzig: Reclam, 2006. – 283 S. : 22 Abb. s/w
ISBN 3-379-00869-9 : € 19,90 (geb.)
Neuralgische Punkte der Künstlerpersönlichkeit Robert Schumanns beschäftigen die Musikforschung immer mehr. Und prompt zum 150. Todesjahr des großen Romantikers holt Martin Demmler, bis 2005 Musikredakteur beim RBB, sogar zu der provokanten These aus: „Das Leben Robert Schumanns ist die Geschichte eines grandiosen Scheiterns.“ (S. 9) Die Geschichte dieses tragischen Scheiterns darzustellen, seine Ursachen zu beleuchten, sei Ziel des Buches. Keineswegs solle ein Großer der Musikwelt vom Sockel gestürzt werden, der die musikalische Romantik in unbestritten höchster Form realisiert habe. Vielmehr solle sein geistiges Universum, sein wechselhaftes Schicksal durchleuchtet werden.
Und in der Tat: Im Gesamtplan geht Demmler zunächst konventionell vor, orientiert Kapitel und Stoff chronologisch an Schumanns Wohnorten von Zwickau über Leipzig und Dresden bis Düsseldorf und Bonn-Endenich. Frappierend dagegen wirkt die inhaltliche Präsentation: schnörkellos, oft parataktisch, mal nüchtern-protokollarisch das narrative Prinzip; farbig-facettenreich und rhetorisch nicht kunstlos das Vokabular; nonchalant und leger, ja jargonhaft karikierend manche Wendung wie die Schumannschen „Marotten“. Frappierend sodann auch die Kombination von Milieuschilderung (Kleinstadt Zwickau, aristokratisches Dresden, Industrialisierung) und personal fokussierter Lebensbeschreibung, in die eine Vielzahl von Quellen wie die Tagebücher der Schumanns sowie Briefe und zeitgenössische Publizistik dramaturgisch geschickt integriert wird. Und das Genre Werkführer tritt sachgerecht auf den Plan, wenn thematisierte Opera in Form einer Zwischenüberschrift aufgegriffen und einer analytisch wie exegetisch pointierten Betrachtung unterzogen werden, die im Gegenzug auch flach-subjektive Wertungen von „besten“ oder „schönsten“ Exempeln aufbieten kann, bevor sie organisch in den Fließtext zurückmündet.
Souverän behält Demmler das Ganze im Blick, zieht Querverbindungen von der Studentenzeit bis zum Endenicher Siechtum. Plastisch kristallisieren sich Schattenseiten, insbesondere jedoch problematische psychische Grundkonstanten (Minderwertigkeits- und Angstgefühle, Selbstmordgedanken, Homophilie) und der Weg des Labilen in den Tod durch – vermutlich (!) – progressive Paralyse heraus. Hochdifferenziert, nahezu analog für Vita und Werk, erschließt sich der prozessuale, laut Demmler eben ästhetisch scheiternde Paradigmenwechsel vom avancierten Romantiker mit seiner gattungsübergreifenden „poetischen Idee“ zum domestizierten, um breite Popularität und Profit buhlenden, mental im biedermeierlichen Schneckenhaus verkrochenen Volkstümler. Verzahnt wird Roberts Psychogramm perspektivenreich mit dem von Clara, die, künstlerisch eingeschränkt unterm Ehejoch, unter Selbstaufgabe gleichwohl frühzeitig Roberts Talmi-Idealisierung vorantreibt.
Andreas Vollberg
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S. 291f.