Ortheil, Hanns-Josef: Das Glück der Musik. Vom Vergnügen, Mozart zu hören. – München: Luchterhand, 2006. – 221 S. – (Sammlung Luchterhand)
ISBN 978-3-630-62082-4 : € 10,00 (brosch.)
Mit einer einfühlsamen Studie über die verschiedenen „Sprachmusiken“ in Mozarts Briefen hat uns Hanns-Josef Ortheil vor über 20 Jahren eines der schönsten Mozartbücher beschert. In seiner erneuten literarischen Auseinandersetzung mit dem Komponisten ist allerdings nicht Mozart selbst das Thema, sondern die persönliche Begegnung des Schriftstellers mit Mozarts Musik. Anfang Januar 2005 las Ortheil durch Zufall, dass Rossini empfohlen hatte, jeden Tag eine oder zwei Kompositionen Mozarts zu hören. Von diesem Gedanken fasziniert, startete der Autor sein Projekt: Ein Jahr lang installiert er täglich mittels MP3-Player und Discman Mozarts Musik an allen nur erdenklichen Orten und Plätzen und notiert, wie sie dort wirkt und was mit ihm während des Hörens geschieht. Er macht das Zugabteil zur Opernbühne und sieht draußen die Krim vorbeifliegen, den Schauplatz der Oper Mitridate. Er installiert Mozartsche Musik in österreichischen Caféhäusern, im Frühstücksraum eines Hotels, in der Wuppertaler Schwebebahn, in einer Holzhütte im Westerwald oder während einer Gondelfahrt durch Venedig. Er probiert aus, ob eine bestimmte Musik besser laut oder leise zu hören sei, ob allein oder in Gesellschaft, in geschlossenen Räumen oder in freier Natur. Nach dreimonatiger Erfahrung mit seinem Hörprojekt kann sich Ortheil keinen Tag mehr ohne Mozarts Musik vorstellen: „Was ich in Mozarts Musik wie in keiner anderen finde, ist, schlicht gesagt, das Glück der Musik, Mozarts Musik macht auf befreiende Weise glücklich, mit keiner anderen ist so sehr eine Vorstellung von allen nur denkbaren Facetten von Glück und innerer Freiheit verbunden“ (S. 78f).
Das Buch ist eine zunächst etwas irritierende Mischung aus Tagebuch, Essay und Erzählung: Bruchstückhafte Gedanken und Beobachtungen wechseln ab mit Schilderungen Mozartscher Werke, die wiederum oft mit ganz persönlichen Erlebnissen des Autors verknüpft sind. Nicht immer sind die Beschreibungen spannend, nicht immer teilt man die Meinungen Ortheils wie z. B. die, dass die Dramaturgie von Da Pontes Libretto zu Don Giovanni nicht stimmig sei. Aber der Autor erhebt glücklicherweise nicht den Anspruch, im Besitz der Wahrheit zu sein. Zu keinem Zeitpunkt gleitet der Text ins Seichte, Allzupersönliche oder Besserwisserische ab, wie man es bei namhaften Schriftstellern in diesem Mozartjahr schon erlebt hat. Es finden sich dagegen sehr schöne Passagen, die zum Nachhören anregen oder einfach vergnüglich zu lesen sind wie z. B. die szenischen Gedankenspiele um Così fan tutte in einem Strandcafé an der italienischen Adriaküste. Der eine oder andere Leser bekommt sicherlich Lust, ein eigenes Hörprojekt zu starten. Und mehr kann sich der Autor als Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit Mozart doch eigentlich kaum wünschen.
Verena Funtenberger
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S. 284f.