Beikircher, Konrad: Palazzo Bajazzo. Ein Opernführer. – Köln: Kiepenheuer und Witsch, 2004. – 371 S.
ISBN 3-462-03372-7 : € 22,90 (geb.)
Konrad Beikircher, Multitalent und selbsternannter Dozent für perfektes Rheinisch, braucht hier nicht mehr weiter vorgestellt zu werden. Jetzt präsentiert Beikircher nach seinen beiden erfolgreichen Konzertführern Andante Spumante und Scherzo furioso (s. Rez. in FM S. 269f) einen Opernführer.
In chronologisch nach Komponisten geordneten Kapiteln nimmt er auf seine bewährte Art 26 Opern, angefangen mit L’incoronazione di Poppea von Claudio Monteverdi bis Pagliacci von Ruggiero Leoncavallo amüsant und kenntnisreich unter die Lupe. Die Zahl der Komponisten ist auf zwölf begrenzt, da er allein von Verdi 10, von Mozart fünf und von Bellini zwei Opern bespricht.
Beikircher behandelt sein Thema nicht mit Ernst und erhobenem Zeigefinger, sondern mit Humor und Leichtigkeit, und trotzdem genießt der Leser eine informative Einführung in das Werk, in die Biographie der Komponisten und die Entstehungsgeschichte der Werke, wobei aktuelle, aus der neuesten Forschung gewonnene Erkenntnisse über das Leben und Werk der Komponisten verbunden werden mit einer liebevoll-kritischen Bewertung der Opern.
Das Buch ist ähnlich aufgebaut wie seine Vorgänger: Einem biographischen Abriß des Komponisten und weiterer am Werk beteiligter Personen wie z.B. des Librettisten folgen Angaben zur Entstehungsgeschichte und zur Uraufführung, dann Besetzung, Dauer und Inhaltsangabe der Oper.
Beikircher erklärt, wo die „Hits“ und wo die „Flops“ der Kompositionen liegen, und wo man „Obacht“ geben muß.
Aber damit nicht genug: Wie im Michelin die Restaurants fein säuberlich mit einem bis fünf Sternen benotet werden, bewertet Konrad Beikircher die verschiedenen, meist inhaltlichen Aspekte der Werke nach folgenden Kategorien: Magie (Zauberhut), Erotik (High Heels), Fazoletto ([i.e. Ergriffenheitsfaktor], triefendes Taschentuch), Gewalt (Handschellen), Gähn (Schlafmütze), Moral (Tiara), Ewigkeit (Heiligenschein?), Gourmet (Stern) und abschließend Gesamtwertung (Opernglas). Konrad Beikircher zeigt, dass man sehr wohl witzig über ernsthafte Dinge plaudern kann, und spricht so manches aus, was sich Opernbesucher vielleicht nicht immer zu sagen getrauen. Nach der Lektüre dieses Opernführers wird Mann/Frau dank des „Kleinen Operntäuschers“ jedem Pausengespräch standhalten können.
In einem abschließenden Kapitel gibt der renommierte Musikkritiker Wolfram Goertz CD-Tips.
Und was gibt es zu bekritteln? Die üblichen Inkonsequenzen und Fehlerchen durch Versäumnisse beim Korrekturlesen. Dann allerdings, daß das Inhaltsverzeichnis weit hinten zwischen CD-Tips und Sachregister so gut versteckt ist, dass die Rezensentin nach mehrfachem vergeblichen Durchblättern schon „so nen Halls [sic!]“ hatte, um mit Beikircher zu sprechen, bis sie es gefunden hatte.
Ungeachtet dieser Abstriche ist der Band dank des spritzigen Humors, der leisen Satire und der profunden Kenntnis von Musikgeschichte und -theorie für den Leser eine kurzweilige Lektüre, die den Opernbesuch zu einem völlig neuen Hörvergnügen werden läßt, und bei der auch die Musikwissenschaftlerin noch neue Details erfahren kann! Aber auch ohne Konzertbesuch ist allein die Lektüre schon ein Genuß.
Nicht unerwähnt bleiben soll [auch wegen des Berufsstandes der Rez.] die Recherchearbeit der beiden Bonner Musikwissenschaftler Annelie Kürten und Dirk Kohlhaas, denen der Autor ausdrücklich dankt. Erst die Kombination von deren akribischer Recherche und dem brillianten Stil des bekannten Autors machen das Buch zu einem Erfolg.
Und wieso endet das Buch mit dem Bajazzo? „Und Wagner? Und Strauss? Und Puccini? Ja, haben Sie gedacht, die hätten alle in einem Band Platz?“ (S. 10) Sie ahnen es schon: Der Folgeband ist bereits in der Mache, und wir dürfen uns darauf freuen.
Jutta Lambrecht
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 26 (2005), S. 232f.